Ein israelisches Journalistenehepaar hat die Geschichte des Sechstagekrieges umgeschrieben: Die UdSSR wollte damals Israels Atomwaffen zerstören.
Als die israelische Journalistin Isabella Ginor vor ein paar Jahren in einer ukrainischen Zeitschrift von einem ehemaligen Marineoffizier las, der schilderte, wie er während des Sechstagekrieges den Auftrag erhielt, 30 "Freiwillige" auszusuchen, um mit ihnen an der israelischen Küste zu landen, glaubte sie es zunächst nicht. Ähnliche Gerüchte gab es seit Jahren unter den Einwanderern aus den GUS-Staaten. Sie widersprachen jedoch der offiziellen Geschichte, wonach die Sowjetunion zwar vor diesem Krieg eine zwielichtige Rolle gespielt, jedoch nicht direkt interveniert habe. Ginor und ihr Ehemann Gideon Remez begannen zu recherchieren und fanden Beweise für die aktive Beteiligung der Sowjetunion vor, während und nach dem Juni 1967. In ihrem Buch Foxbats over Dimona revidieren sie nun einen wichtigen Teil der Geschichte des Kalten Krieges.
Sowjets bereit zum Angriff
Die UdSSR reagierte damals auf die israelische Entwicklung von Atomwaffen im Reaktor Dimona. "Foxbat" nannte die NATO das spätere MIG 25-Jagdflugzeug der Russen. Ein solches Flugzeug hatte Dimona im Süden Israels bereits am 17. und 26. Mai 1967 überflogen. Denn die Zerstörung des israelischen Atomkomplexes war nicht nur das wichtigste Kriegsziel Ägyptens, sondern vor allem auch der UdSSR.
Israel vereitelte aber durch die Vernichtung der arabischen Luftwaffe am 5. Juni den sowjetisch-arabischen Plan, wonach zwar Israel zum Erstschlag provoziert werden, dann aber die Sowjetunion gegen den Aggressor eingreifen sollte. Ein Teil der Roten Flotte mit Landeeinheiten an Bord war deswegen nicht weit von der Küste Israels stationiert, und die UdSSR zog erst ab, nachdem Israel einen Waffenstillstand mit Syrien akzeptiert hatte. Die Autoren schildern auch, wie die Sowjetunion nach dem Krieg versuchte, ihre tatsächlichen Absichten zu verschleiern, was aber nicht ganz gelang.
Israels KP spionierte
Bereits 1965 wurde die Sowjetunion vom Chef der israelischen KP, Moshe Sneh, über Israels Plan, Atombomben zu produzieren, informiert. Über die Sowjetunion erreichte die Nachricht Ägyptens Präsidenten Nasser, der bereits Anfang 1966 einen Präventivschlag gegen Israel erwog. Die Entwicklung von israelischen Atomwaffen machte die sowjetische Drohung eines nuklearen Angriffs gegenstandslos. Die Sowjets sahen diese Waffe in den Händen der Israelis auch als Bedrohung ihrer Südflanke. Durch Falschmeldungen über angebliche israelische Truppenkonzentrationen an der syrischen Grenze trugen sie dazu bei, dass Ägypten den Israelis einen Casus belli lieferte.
Aus Österreich erhielten die Autoren einen wichtigen Bericht der österreichischen Botschaft in Tel Aviv von Juni 1967, der schlüssig bestätigt, was Israel immer dementiert hat: Dass die israelische Armee während des Sechstagekrieges sowjetische Offiziere gefangen nahm, die man aber still und heimlich der sowjetischen Botschaft übergeben hat. Remez und Ginor haben ein gründlich recherchiertes und spannendes Buch über den Kalten Krieg im östlichen Mittelmeerraum geschrieben. Sie belegen: Die sowjetische Rolle in der damaligen Krise beruhte nicht auf einem Irrtum oder einer Fehleinschätzung, sondern auf Kalkül.
FOXBATS OVER DIMONA
The Soviets' Nuclear Gamble in the Six-Day War
Von Isabella Ginor und Gideon Remez, Yale University Press 2007
304 Seiten, geb., € 21,90
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