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Die Wähler wählen jene, deren politische Versprechen gerade so weit reichen, wie die Zukunftsangst des Volkes. Diese Politik nennt sich: 'Die Sorgen ernst nehmen'.

Andrej Babi s ist ein honoriger und geschätzter Mann. Das war schon unter den Kommunisten der CSSR so, die Václav Havel und die Aktivisten der Charta 77 ins Gefängnis warfen. Auch die Revolution und die Wende hat er gut überstanden. Er hat jenen Agrokonzern erworben, den er zu Regimezeiten führte. Und er hat diesen Betrieb zu einem europäischen Milliardenunternehmen ausgebaut. Vor ein paar Jahren ist er als Milliardär in die Politik gegangen. Und nun will er als großer Sieger der tschechischen Wahlen ein neues Europa schaffen. Es nimmt Maß an jenem der Visegrád-Staaten und vielleicht auch jenem von Österreichs neuer Regierung. Keine Immigration, weniger Kontrolle durch Brüssel, das sind die Hauptzutaten des Neuen. Babis nennt Sebastian Kurz einen sicheren Alliierten.

Tatsächlich wird dieser Tage ein neues Europa geschaffen. Es gehorcht einer neuen Erzählung. Dem vom Unternehmen Europa, das wie ein Unternehmen geführt wird (Babis). Den alten Erzählungen von der internationalen Verantwortung, vom "guten Europa" stehen er und Sebastian Kurz dabei nicht einmal feindlich gegenüber. Nein, diese Geschichen sind ihnen einfach egal. Sie sind für derlei "Pathos"(Babis) zu nüchtern. Ihre Nüchternheit braucht keine großen intellektuellen Gesten. Sie genügt sich selbst.

Das europa für den eigenen Vorteil

Das heißt nicht, dass Europa für sie keinen Wert hätte. Das hat es sehr wohl: als Binnenmarkt für den eigenen Vorteil. Diese Politiker sind, wenn man so will, die neuen Briten Europas. Sie holen sich von der EU, was möglich ist, und es ist ihnen egal, ob es ihnen zusteht. Die Idee von der EU als föderaler Bundesstaat ist ihnen ein Greuel. Brüssel, das bedeutet jenseits des ökonomischen Horizonts bloss Kontrollverlust.

Babis hat vor wenigen Jahren einen Unterhaltungspark für Kinder gebaut. Er hat ihn "Storchennest" genannt. In einem allegorischen Sinn sind viele Nationen Europas inklusive Österreich tatsächlich auf dem Weg, sich in so ein Storchennest zu verwandeln. Dort kann man sich in einem kindlichen Wohlgefühl des Heimelig-Nationalen gemütlich betten. Dabei übersehen Wähler wie Politiker, dass es eine solche Kinderwelt unter den Vorzeichen der Globalisierung und des Unternehmens Staat nicht geben wird. Auch das einfache Nein zur Zuwanderung wird die anderen schmerzhaften Anpassungsprozesse weder lindern noch verhindern.

ein verdrehter Wertmaßstab

Letztlich würden gerade die heute von Babis und Co für verzichtbar gehaltenen Werte der Rechtstradition jenes Fundament bilden, das Halt in der Globalisierung und Digitalisierung geben kann: den Bürger-und Menschenschutz. Wer den Staat aber als Unternehmen denkt, landet letztlich nicht bei einer gesellschaftsbildenden Politik, sondern bei Buchhaltung und Controlling. Und noch wichtiger: Wer Geld zum einzigen Wert-Maßstab von Politik nimmt, wird letztlich mit der gleichen Leidenschaft Glück und Unglück erzeugen. Hauptsache, die Kasse stimmt.

Es ist diese nüchterne Politik, die Politiker wie Babis versprechen. Getan wird, was machbar ist und machbar ist, was dem aktuellen Willen des Volkes entspricht. In den letzten 50 Jahren war das umgekehrt. Tatsächlich haben große Mehrheiten in Europa den Kohls und Mitterands und ihren Großprojekten vertraut, nicht umgekehrt.

Nun aber sind die Massen misstrauisch geworden. Sie geben ihre Stimme nicht den Visionen, sondern jenen, deren politisches Versprechen gerade so weit reicht, wie die eigene Zukunftsangst. Diese Politik nennt sich "die Sorgen ernst nehmen": Politiker und Wähler verlieren dabei unter der Illusion des "Augenmaßes" gemeinsam die Weitsicht. Der kollektive Blick endet beim Nestrand, jenseits dessen bald Angst und Vorurteil regieren werden statt Realismus und Strategie.

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