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Von Kraterrand zu Kraterrand
KASSANDRA LACHT. Eine Auswahl aus vier Gedichtbänden, von Johann Gunert, ein geleitet und zusammengestellt von Viktor Suchy, Stiasny-Verlag, Graz-Wien. Preis 15 S.
KASSANDRA LACHT. Eine Auswahl aus vier Gedichtbänden, von Johann Gunert, ein geleitet und zusammengestellt von Viktor Suchy, Stiasny-Verlag, Graz-Wien. Preis 15 S.
Daß hier einer auf dem Wege ist, schon eine Reihe von Jahren, von Kraterrand zu Kraterrand in der merkwürdigen Landschaft unserer Zeit, und davon Kunde gibt, das hat, wie es dieser Zeit ansteht (Kassandra lacht!), leider bisher nur ein kleiner Kreis von Freunden der Lyrik gemerkt. Gewiß hindert viele eine oft zu spröde Sprache, ein gelegentlicher Pedantismus beim Zerlegen der Themen — er tranchiert gewissenhaft und ohne Scheu die unerfreulichen Gegenstände (die Beziehung Naturalismus-Surrealismus ist hier deutlich) — und die Unbarmherzigkeit der Tiefenschau. Aber im Grunde sind es ja der Lyrik ureigenste Stoffe und Aufgaben, die geheimnisvollen Chiffren unserer Zeit zu lösen, das tiefe Leid zu fühlen, das auf uns lastet, und die Gewissenlosigkeit, das Unverständnis, die Oberflächlichkeit anzuprangern, nicht mit einem Aufwand an Stimme oder dem erhobenen Zeigefinger. Tod und Leben, wie viele Differenzen zwischen ihnen, wie zahlreish die Stufen zwischen Hell und Dunkel! Daß die Verse Gunerts in der Mehrzahl im Dunkeln angesiedelt sind, hängt mit der Beschaffenheit seiner Erfahrungen zusammen.
Das Urgeschehen, das vor- und frühgeschichtliche, wozu auch das mythische und das Erleben des Krieges gehört, ist Gunerts Domäne. Er erlebt es in der differenziertesten Strahlkraft und Kontrapunktierung. Im Anschaun eines Ammoniten sieht er auch Altamira und Etrurien, erlebt er Pan und den Erzengel Michael, sinnt er einer Feder nach, die ein Wildvogel im Flug verliert, vernimmt er den traurigen Gesang Manitous und des indischen Vogels Gawalanga. Eindrucksvoll die großen Gesänge, ähnlich denen Whitmans, und suggestiv die archaische Reise mit dem Dichter an den Ursprung, des Lebens und der Kunst. Aufleuchtet die Dämonie der Pilze, anders als das Geheimnis des Grases, der Düfte und Gerüche. Erschütterung geht von den zerreißenden Erlebnissen des Krieges aus und tröstend ist der Glaube an Gott und die Mission der echten Kunst. Das alles sind die unverwischbaren Inhalte dieser Lyrik, die das „Heilende“ des Wortes nicht vergißt und die auch noch Raum hat für die Preisung der Schönheit der Erde und der Güte des Menschen. „Ohne Seele ist der Mensch ein Sack.“ Ohne die Gunertschen Verse wären wir um teure Erfahrungen und Durchleuchtungen ärmer.
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