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Artistisches

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Auf irgendeinem Weg mußten die durch die aufwendige Ausstattung von „My Fair Lady“ verbrauchten Budgetmittel wieder in den ohnehin so schmalen Säckel der Grazer Vereinigten Bühnen zurückfließen. So beschloß man, die Neuinszenierung von Giordanos Oper „Andre Chenier“ ohne Bühnenbild herauszubringen. Das heißt, man holte sich ein fertiges, aber unbenutztes Kwlissen-ensemble vom Landestheater Linz, modelte es ein wenig um und spielte darin den Grazer „Andre Chenier“. Ob der Transport wesentlich billiger gekommen ist als eine eigene Produktion, bleibt dahingestellt. Was Graz noch dazugab: eine etwas schwächliche, in den Massenlsizenen farblose Regie (Wolfgang Bständig), einen ausgezeichneten Interpreten der veristisch aufrauschenden Musik (den Dirigenten Edgar Seipenbusch) und zwei sehr gute Protagonisten (Josi M. Perez und Althea Bridges). Im Schauspiel, von dem bisher kaum Nennenswertes zu berichten war, gab es in letzter Zeit einen für Grazer Verhältnisse respektablen Schnitzler-Abend. Kaum irgend etwas scheint besser funktionierendes Zusammenspiel mehr oder weniger soziabler Partner zu sein als der gesellschaftliche Mikrokosmos eines ästhetisch bestimmten Großbürgertums, wie ihn Schnitzler in seinem Werk „Der einsame Weg“ darstellt — und dabei sind die Figuren dieses Spiels zutiefst dem Egoismus ergeben, jede auf ihre Weise: die eine in männlicher Überlegenheit, die andere in naivem, romantischem Mystizismus, wieder eine andere in genießerischer Einsamkeit Dem Regisseur Klaus Gmeiner gelang mit dem Grazer Ensemble eine relativ gute Realisierung dieser fast meditativen Dialoge und einer Atmosphäre voll leichtem Moderduft.

Mit der letzten Premiere im Schauspiel kam auch die Hoffnung auf Besserung des Zustandes: der Regisseur von Brechts „Puntila und sein Knecht Matti“, Fritz Zecha — lange Jahre führend in Graz tätig, seit 1965 in Hannover und an anderen großen Bühnen —, wurde ab 1970 als Schauspieldirektor nach Graz verpflichtet. Die Grazer erwarten sich von der Bestellung Zechas mit Recht die seit langem fällige Niveau- und Qualitätssteigerung. Als Brecht-Regisseur ist Fritz Zecha durchaus kein Neuling. Seine Hospitationen beim „Berliner Ensemble“ machten aus ihm einen gründlichen Kenner der Theaterarbeit am Schiffbauerdamm. Seine österreichische Herkunft kommt ihm bei der Inszenierung des „Puntila“ sehr zugute. Vielleicht gerät dadurch die Gesellschaftskritik zu wenig scharf. Aber wirkt sie in ihrer ursprünglichen Form nicht ohnedies schon museal und wird nur noch kulinarisch genossen? Zecha hielt sich vor allem an Brechts Vorstellungen vom Volksstück und erzielte mit der Grazer Aufführung einen stilistisch reizvollen, künstlerisch bedeutsamen Ausgleich zwischen Naivität und Artistik, der dieser meisterlichen Inszenierung ihr Gepräge gab. Freilich wäre der große Erfolg ohne einen so exzellenten Darsteller des Puntila wie Heinrich Schweiger nicht möglich gewesen.

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