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Kleines Grazer Opernfest

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Intendant Nemeths für den Juni programmiertes Grazer Opernfest will natürlich keinen Anspruch auf Ähnlichkeit mit irgendeinem der üblichen Festivals erheben. Es ist eine schlichte, unprätentiöse Leistungsschau über ein Jahr des Aufschwungs in der Grazer Oper: in beispiellos kurzer Zeit wurde ein Niveau zurückgewonnen, das an diesem Institut vor Jahrzehnten üblich war. Eine außerordentlich kluge und geschickte Ensemblepolitik der Intendanz, die guten Beziehungen zu den Wiener Staatstheatern, vor allem aber die Verpflichtung bedeutender und bekannter Künstler für jede einzelne Produktion lockten die Grazer wieder in ihre Oper und wirkten solcherart auch kalmierend auf die pekuniären Wunden der Vereinigten Bühnen.

An dieser Stelle wurde schon einmal mit Genugtuung erwähnt, wie sehr insbesondere die stärkere Bindung Ernst Märzendorfers an das musikalische Leben seiner Vaterstadt zur Hochstimmung im Opernhaus beiträgt. Nach dem deutschen und dem italienischen „Figaro“ und einem geradezu triumphalen Erfolg mit Mahlers Siebenter im Musikverein dankt man ihm als letzte Premiere der Saison eine Neustudierung des „Rosenkavaliers“ von Grund auf, die zum Besten gehört, was in der Grazer Oper seit langem gezeigt worden war. Das Orchester, dem die harte Probiererfaust Märzendorfers hörbar guttut, war von einer klanglichen Homogenität bei größter solistischer Individualisierung und Transparenz, wie man derlei nur in berühmteren Häusern erleben kann. Dazu kommt das Debüt von Gertraud Eckert als Octavian, die sich nach ihrer Carmen nun mit dieser weiteren Rolle die Gunst des Publikums eroberte. Das System der Gastdirigenten hat sich jedenfalls bewährt: die Produktionen „I Puri-tani“ unter Quadri, „Carmen“ unter Caridis haben neben den beiden schon erwähnten unter Märzendorfer der Intendanz Nemeth zu einem durchschlagenden Erfolg im ersten Jahr bereits verholten. Die vorletzte Opernproduktion — „Die verkaufte

Braut“ — stand nicht ganz auf der Höhe der übrigen. Franz Bauer-Theussl dirigierte mit Schwung und Werkkenntnis, die Regie Horst Zanders hingegen überschlug sich in manchmal fast dilettantisch wirkender „Komik“. Zudem fehlte es an einer Persönlichkeit für die Rolle des Kezal; Jaroslav Stajnc ist darstellerisch noch zu ungeübt und stimmlich zuwenig routiniert für diese Partie.

Das Schauspiel kann mit der Erfolgsserie in der Oper nicht mithalten. Rudolf Kautek ging als Oberspielleiter — jetzt versucht man es mit einem Dreierdirektorium der Drmaturgen, das aber im Herbst vollverantwoirtMch sein wird.

Schnitzlers herbe Komödie „Zwischenspiel“, in der die Ehe als freundschaftliche Partner-Bindung in sehr moderner Weise kritisch zur Debatte steht, hinterließ bei dem sonst überaus Schnitzler-freundlichen Grazer Publikum einen zwiespältigen Eindruck. Vielleicht lag es an dem nicht übermäßig „eingängigen“ Stück selbst, vielleicht am Regisseur Helmut Schwarz, der den Rotstift zuwenig gebraucht hatte, oder an der mangelnden Übung der Grazer Schauspieler (Gerhard Balluch, Lotte Marquardt) im differenzierten Tonfall des Schnitzler-Dialoges.

Schnitzler, gespielt jedoch mit allen Tugenden Wiener Schauspielkunst und dennoch in unverzärtelter, fast schon ein wenig düsterer Herbheit, brachte dann ein Gastspiel des Burgtheaters ins Schauspielhaus. Zu bewundern waren da vor allem zwei Dinge: einmal die Konsequenz, mit der Klingenberg das Stück „Liebelei“ in die Nähe Horväths rückte, und zum anderen das Geschick, mit dem der Regisseur aus dem traditionellen Klischee ausbrach, die generalisierende Erotik landläufiger Interpretationsmuster durch eine vorsichtig angedeutete, aber deutlich genug mitschwingende individualisierte Sexualität ersetzte und somit auch etwas von der heute so oft strapazierten Sprach- und Kontaktarmut in die Geschichte vom süßen Wiener Mädel hineinnahm.

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