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„Dreister Vorstoß gegen die Familien”

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Lore Hostasch, Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten und Nationalratsabgeordnete der SPÖ, kann der Karenzgelddebatte „überhaupt nichts abgewinnen”.

Denn das „Karenzgeld ist ja nur ein Mosaikstein aus der Fülle von Themen, die in Frage stellen, was bis jetzt eine Selbstverständlichkeit war”. Die ÖGB-Vizepräsidentin hält diese sommerliche Debatte einem „gemeinsamen sozialpolitischen Stil gegenüber unvertretbar”.

Hostasch zur Mißbrauchsdebatte beim Karenzgeld: „Ich weigere mich, an Kontrollmethoden zu denken, die in die Intimsphäre von Menschen eingreifen, daß Schnüffelaktionen gestartet werden, um etwa im Bade-zimmer Schlapfen zu zählen.” Zudem kennt die SP-Abgeord-nete „kaum Familien, die das Karenzurlaubsgeld auf das Sparbuch legen”, denn „es wird ja sofort wieder ausgegeben”.

Hostasch über Einsparungsmöglichkeiten: „Ich kann mir drastische Eingriffe in das jetzige Sozialsystem einfach nicht vorstellen.” Denn „unser Sozialsystem kann nicht als übersozialisiert” betrachtet werden. „Wir haben ein gut ausgebautes, wohlfahrtsstaatliches System und wir haben ein Netz, das hoffentlich alle auffängt, die es brauchen”, skizziert die Sozialdemokratin ihre sozialen Perspektiven.

„Ich halte das für einen dreisten Vorstoß gegen die Familien”, kritisiert die Klubobfrau der Grünen, Madeleine Petrovic den Korosec-Vor-schlag: Gehe es doch „den österreichischen Familien, und damit meine ich auch die Alleinerziehenden, insgesamt schlecht”. Sowohl das normale wie auch das erhöhte Karenzgeld seien „überhaupt kein Ausgleich dafür, daß jemand aus dem Berufsleben kurzfristig ausscheidet und das Kind versorgen möchte”, moniert Petrovic. Denn das Karenzgeld habe „mit den familienrelevanten Kosten überhaupt nicht Schritt gehalten”. Petrovic hat im Gespräch mit Vertretern der „Aktion Leben” erfahren, daß „es Abtreibungen gibt, weil die Leute nicht wissen, wo und wie sie ein weiteres Kind unterbringen sollen”. Größere Wohnungen seien für viele Familien „absolut unerschwinglich”.

Auch die Präsidentin des Katholischen Familienverbandes (KFÖ), Elisabeth Schrittwieser, ist verärgert: „Der Korosec-Vorstoß stößt bei mir auf großes Unverständnis, weil man hier Maßnahmen wieder in Frage stellt, die den Familien und alleinerziehenden Müttern zugutekommen.” Es sei erschreckend, „daß man am Vorabend des Internationalen Jahres der Familie 1994 beinahe jeden zweiten Tag hört, daß im Familien- und Sozialbereich eingespart werden soll”.

Almosen für die Familien?

Der KFÖ , dem rund 80.000 Familien angehören, wehrt sich gegen die groteske Vorstellung, daß „man sich mit Kindern finanziell sanieren” könnte. Denn, so Schrittwieser im FUR-CHE-Gespräch, „Familien sind keine Almosenempfänger der Nation, sondern sie tragen - mit den Kindern - das Humanvermögen der Zukunft”. Seit 15 Jahren fordere der KFÖ, daß der Familienlastenausgleichsfonds

(FLAF) ausschließlich den Familien und Kindern zugutekomme.

1978 habe man versprochen, den Dienstgeberanteil beim FLAF von 4,5 wieder auf die ursprünglichen sechs Prozent zu erhöhen. Dadurch stünden jährlich rund neun Milliarden Schilling mehr zur Verfügung. Würden doch aus dem FLAF Leistungen bezahlt, für die er nicht zuständig sei; etwa der Druckkostenbeitrag für den Mutter-Kind-Paß, die Gratis-Schul-bücher und die Schüler-Freifahrten.

„Familien und alleinerziehende Mütter leisten ungleich mehr für das Gemeinwohl, als sie dafür an Leistungen erhalten”, meint Schrittwieser: „Wenn ein junges Paar finanzielle Unterstützung erhält, so werde davon nichts in den Sparstrumpf gesteckt, sondern umgehend ausgegeben”, so Schrittwieser.

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