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Ein Strandballett
Die Novität des 2. Ballettabends in der Staatsoper hieß „La Mer“, ein Tanzduo zur Musik von Claude De-bussy, Libretto und Choreographie von Tom Schilling. (Vorangegangen war ihm „Der wunderbare Mandarin“ mit der Neubesetzung der Titelpartie durch Heinz Heidenreich und abgeschlossen wurde mit Ravels „Bolero“ in der Milloss-Choreogra-phie, besetzt wie bei der letzten Neueinstudierung.)
Mit der Wahl der meisterhaften und berühmten Musik Debussys, die einen bestimmten Stellenwert in der Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts besitzt, hat der Ostberliner Choreograph offensichtlich einen Fehlgriff getan. — So zumindest darf man diese Musik nicht vertanzen lassen. „Von der Morgenröte bis Mittag“, „Spiel der Wellen“, „Dialog des Windes mit dem Meer“ nannte De-bussy seine 1904 begonnenen, ein Jahr später beendeten und uraufge-führten „Drei symphonischen Skizzen“.
Bereits der Gedanke an ein Duo, eine Liebesgeschichte am Stand zu dieser Musik erscheint uns im Ansatz verfehlt. Aber es bleibt nicht bei dieser Verkleinerung und Banalisierung. Laut Programm weist der intime Vorgang auch „zurück auf den gesellschaftlichen Urgrund und Prozeß, dem er entspringt und durch den er geprägt ist“. Und die Flut des dritten Bildes ist „nicht schlechthin ein Naturereignis ..., sie ist vielmehr auch ein Bild für die Gefährdungen, denen eine junge Liebe im Leben ausgesetzt ist “. Die natürlich gemeistert werden. Wo kämen wir denn da sonst hin! Und womöglich ohne gesellschaftlichen Hintergrund...
Soweit also schön, d. h. nicht schön. Getanzt wurde diese ein wenig ausgetüftelte und zur Musik wenig passende Handlung sehr ausdrucksvoll, elegant, graziös und dezent von Lilly Scheuermann und Michael Birkmeyer. So kam es, daß die beiden jungen Tänzer nur im ersten Bild, bis man sich an diese optische Fehlinterpretation gewöhnt hatte, gewissermaßen „störten“. Auch das Bühnenbild Schneider-Siemssens war, solange es lichte Farben zeigte, der Musik Debussys meisterhaft angepaßt: ein schmaler Strand, ein grausilbern glitzerndes Meer, ein riesiger Himmel, der sich später im Sturm verdüsterte. Und dazu das klangschwelgerische, differenzierte Spiel des Orchesters unter Stefan Soltesz, der, wie bei der Begleitung der übrigen Ballette, seine Sache ganz ausgezeichnet machte. — Viel Applaus.
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