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Jeden Samstag: Einsatz im Altersheim Lainz

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„Bitte schick mir zum Geburtstag kein Geld“, schrieb eine gelähmte Frau aus Lainz an ihre Patin, „besuch mich oder schreib mir wenigstens“. Sie bekam 50 Schilüng. Die Patin hatte keine Zeit.

Das Problem des Alters ist anscheinend ungelöst. Alte Menschen „zu nichts mehr nütze“, werden abgeschoben - das Altersheim wartet. Es fehlt offensichtlich das Verständnis zwischen der Jugend und dem Alter. Dennoch gibt es junge Leute, die sich jeden Samstag im Pflegeheim Lainz mit „Abgeschobenen“ zusammensetzen, mit ihnen Spazierengehen, reden, eine Gemeinschaft bilden. Die Kontaktarmut wird bewältigt. Beide Generationen lernen, miteinander zu leben, einander zu verstehen.

Josef Messner, Kaufmann im Stahlrohrgewerbe, wollte nicht mehr zusehen, sondern etwas tun: er gründete 1972 mit zwei Freunden den Verein „Gruppe C“ (C für Christus) und experimentierte drei Jahre lang, wie man den Mitmenschen helfen könnte. Seit 1975 gehen freiwillig Jugendliche jeden Samstag in Gruppen in das Pflegeheim Lainz und versuchen, die Einsamkeit der Alten zu mildern. Messner meint: „Die Stadt Wien tut viel für die Alten, aber materiell. Die zwischenmenschlichen Beziehungen kommen dabei - wohl gezwungenermaßen - zu kurz. Das unterscheidet uns von der Glaubensinformation: dort muß zuerst das Christentum vorhanden sein, dann

wird etwas getan. Wir tun zunächst einiges, erst dann kommt - als Wechselspiel zwischen Ursache und Wirkung - das Christliche Bewußtsein.“

Als der Verein gegründet wurde, ahnte Messner noch nicht, auf welche Resonanz er stoßen würde. Heute leisten 60 junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren alten Mitmenschen Gesellschaft. Es könnten noch mehr sein, aber Messner sind 60 Engagierte lieber als 300 Mitläufer. Inzwischen wurde ihre Aktivität mit dem von einer Sparkasse gestifteten „österreichischen Jugendpreis“ belohnt.

Der Verein wird von Freunden finanziell unterstützt, berichtet. Messner. Eine Werbefirma organisierte eine Kampagne, Zeitungen stellen Anzeigenraum unentgeltlich zur Verfügung - warum tun sie das? Um eine entmenschlichte und unpersönliche Gesellschaft auf Nöte anderer aufmerksam zu machen? Oder als Alibihandlung für verdrängte Schuldgefühle?

Jedenfalls will die „Gruppe C“ den Gedanken ausbauen und sucht dafür geeignete Räume zur Schaffung eines Zentrums, einer „Soziothek“. Ein Zentrum für die jungen Leute selbst, ein Forum zur Erörterung alltäglicher Probleme zwischen Eltern und Kindern soll dort entstehen. Die Probleme alter Menschen zu verstehen ist offenbar nur in praktischer Arbeit möglich. „Die Theorie kommt dann von selbst“, schließt Messner.

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