6848407-1976_34_12.jpg
Digital In Arbeit

Kraut und Rüben?

Werbung
Werbung
Werbung

Bregenz im Taumel der Vorfreude aufs eigene 220-Millionen-Festspielhaus. Der Grundstein für die Betonwalhalla am See liegt sclion. Die Bauarbeiten beginnen im September, nach zwanzig Jahren Streitereien, um des Kaisers^ Bart sozusagen. Was da im Tauziehen zwischen dem Land Vorarlberg, der Stadt Bregenz und dem Bund um ein neues Festspielhaus allmählich groteske Formen angenommen hat, ja schon zum Stein politischen Anstoßes zu werden drohte, ist also beinahe aus der Welt geschafft.

Jetzt muß man sich Gedanken machen, was dereinst im pompösen Mehrzweckbau am See neben Kongressen, Restaurantbetriebsamkeit usw. los sein soll. .

Was soll denn nun wirklich los sein? Ein Blick aufs nächstjährige Programm lehrt einen, daß man sich in Bregenz darüber offenbar sehr wenig Gedanken macht. Webers „Oberon“ auf dem See, Do-nizettis „Favorita“, ein bis dato nicht fixierter „Burg“-Beitrag, Telemanns „Ptmptnone“ auf Schloß Hohenems, schließlich — wer weiß schon, warum! — ein Volkstheatergastspiel mit Nestroys „Gewürzkrämerblatt“... Kraut und Rüben. Kein rechtes Festivalganzes. Von Linie keine Spur. Weitenuursteln bis zum neuen Festspielhaus.

Um so mehr -muß man sich die Frage stellen, was nun eigentlich nach Bregenz paßt. Denn auf der Seebühne etwa nur Opern zu spielen, in denen irgendwo ein Rinnsal vorkommt, ist natürlich allzu billig. Der Ansatz muß wohl lauten: Was paßt für einen ba-rock-spektakidären Spielort, was zu dieser künstlichen „Insel“, was zu einer Bühne, auf der Konstruktion, also Künstliches, Wasser, Luft und Abendlicht, Feuer und Feuerwerk die Atmosphäre ausmachen? „Carmen“ etwa, die hier gespielt wurde, wohl ebensowenig wie die „Lustige Witwe“. Hingegen sicher sehr überzeugend . Mozarts „Zauberflöte“, in der alle „alten vier Elemente“ mitwirken. Dann die großen Barockopern, in denen Wasserschlachten, Nereidenfeste, Neptuns Auffahrten triumphieren. Auch Ballette, wie der „Pagodenprinz“ oder Operetten, wie die „Nacht in Venedig“.

Und es wäre zum Beispiel ein besonderes Verdienst, Meyerbeer zu entdecken, etwa seine „Afrikanerin“, in der das Meer ein Lebenselement darstellt... Wie man sich auch an Verdis „Othello“, Mozarts „Idomeneo“, Glucks „Iphigenie“ oder an „Ariadne“ von Strauss halten könnte ...

' Engagieren sollte man sich im Kornmarkttheater auch weiterhin in Sachen „italienische Opernraritäten“: Verschollene Oonizetti-, Rossini-, Bellini-Opern zu entdecken, ist ein großes Verdienst. Und im Schauspiel könnte man sich etwa mit der Burg auf eine Linie internationaler moderner Dramatik einspielen (statt in Konkurrenz zu Salzburg schlechten Nestroy zu machen!). Was insgesamt einen respektablen Zuschnitt ergäbe, ein Gesicht, mit dem Bregenz im internationalen Festspielbetrieb mehr sein könnte als eine Nummer.

Keine Frage freilich, daß das alles eine Dramaturgie voraussetzt, ein geistiges Konzept, das ein bißchen mehr Überlegungen enthält, als bloß die Freude am Spektakel und die Kommerzmasche, wie man in Hinkunft ein Festspielhaus garantiert mit Betriebsamkeit füllen kann. Ideen zu haben, mit Unverwechselbarem sich profilieren ... Darauf kommt es für Bregenz an. Und nicht bloß auf die Programmvielfalt, die auch mit Kraut und Rüben verwechselt werden kann.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung