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„Wir haben Fehler begangen“

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Genrikh A. Borovik ist sowjetischer Schriftsteller, Stückeschreiber und Präsident des Sowjetischen Friedenskomitees. Auf ihn geht die Einladung Mutter Teresas von Kalkutta in die Sowjetunion im Sommer dieses Jahres zurück. Diese Visite wie auch die Reise einer Delegation brasilianischer Befreiungstheologen mit Leonardo Boff an der Spitze in die UdSSR brachten für sowjetische Stellen die Erfahrung individueller Fürsorge und religiöser Motivation für soziales Engagement.

Es ist möglich, daß die offenere Besuchspolitik für Gläubige als politische Maßnahme eine Eigendynamik entwickelt und dadurch von sowjetischen Stellen unbeabsichtigte Folgen zeitigen könnte. Der Umgestaltungsprozeß kann sich verselbständigen — mit positiven Auswirkungen für die Religionsfreiheit.

Daß die vermehrten Möglichkeiten für Besuche religiöser Gemeinschaften in der UdSSR zum Abbau von Feindbildern -auch hinsichtlich des Sowjetstaates — beitragen, ist klar.

Durch gegenseitiges Kennenlernen wird auch zukünftige Zusammenarbeit möglich — ohne daß irgendwelche Positionen aufgegeben werden müßten.

Borovik hat dies kürzlich bei einem Besuch in Wien gegenüber der FURCHE bestätigt. Der Schriftsteller geht vom Dialog zwischen Christen und Marxisten aus, von der Suche nach „gemeinsamen ethischen

Grundgesetzen“, die Menschen auch zusammenbringen können.

Der Autor verwies in dem Gespräch mit der FURCHE auch auf eine sensiblere Einstellung sowjetischer Medien gegenüber den Kirchen. Ein Indiz dafür ist für ihn ein Artikel in der „Literaturnaja Gazeta“, in dem eine lokale Behörde in der Nähe von Lwow (Lemberg) deswegen heftig kritisiert wurde, weü sie (im Zusammenhang mit einer angeblichen Marienerscheinung) einen Gottesdienst verbieten wollte.

In der Tat, vor wenigen Jahren noch wäre ein solcher Artikel nicht möglich gewesen. Uber das Vorgehen der Behörde hätte die Öffentlichkeit kein Wort erfahren.

Die Schwierigkeiten des Sowjetstaates mit den religiösen Gemeinschaften führt Borovik auf konterrevolutionäre Erfahrungen der zwanziger Jahre zurück. Die sozialistische Revolution sei damals gezwungen gewesen, hart gegen Gegner vorzugehen. Allerdings — so Borovik wörtlich — „haben wir damals bezüglich der Kirche verschiedene Fehler begangen, als die antireligiöse Propaganda barbarische Formen angenommen hat, zum Beispiel bei der Zerstörung von Kirchen und Denkmälern der Vergangenheit“. Das werde heute „sehr bedauert“. Gegenwärtig wird in der UdSSR großer Wert auf die Restaurierung von Denkmälern und auch Kirchen gelegt.

In der Zeit der Perestrojka werde besonders darauf geachtet, betonte Borovik, wie die Rechte der Gläubigen verwirklicht werden. „Aus diesem Grund werden Behörden kritisiert, wenn sie sich nicht an die Gesetze halten, die sowohl für die Kirche als auch für den Staat gelten.“

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