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Aufstieg in Umstürzen

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Von dem unvergeßlichen Alexander Girardi erzählt man sich das komische Apergu, gegen Ende des ersten Weltkrieges und seines eigenen Lebens ausgesprochen, als man dem großen Komiker seinen Pessimismus tadelnd vorhielt: ..... und schließlich und endlich, Herr Girardi, wir leben in einer großen Zeit!“ — „Das schon, lieber Freund, aber die kleine war mir lieber...“

Ein großer Historiker hat seine Lebensgeschichte veröffentlicht1, und bei ihrem Studium muß sich der Leser sagen, daß der Mann kaum dieser Mann geworden wäre, hätte er in ruhigen und beschaulichen Zeiten gelebt und — nach scheinbarer Vorbestimmung — das angenehme Leben eines Prager Juristen des wohlhabenden höheren Mittelstandes geführt.

Hans Kohn wurde im Jahre 1891 als Sohn einer alten böhmischen Judenfamilie in einem kleinen Dorfe unweit der Moldaumetropole geboren, kam aber schon in frühester

Jugend nach Prag und fühlte sich dieser herrlichen Stadt noch immer aufs engste verbunden. „Böhmischen Volkes Weise“ — wie Rilke sie besingt — war dem Knaben nahe vertraut, denn eine Mafenka, die 40 Jahre in der Familie blieb, umhegte ihn. Seine Eltern betrachteten sich als deutsche Juden der Prager Gemeinde, ignorierten alle Vorschriften der Orthodoxie, und nur der Vater besuchte an hohen Feiertagen die Synagoge. Bestand die Zugehörigkeit zum Judentum eigentlich nur im Nichtableugnen derselben, so gab es zwei viel stärkere Loyalitätsgefühle gerade bei den Prager Juden: das österreichische Gefühl und die Verehrung für eine Art „lieben Gott“ auf Erden, den alternden Kaiser Franz Joseph. Diese Aufzählung ist nicht ganz vollständig, denn noch ein drittes Element muß unbedingt angeführt werden: Bewunderung für intellektuelles Leben und intellektuelle Leistung!

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