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Gute und schlechte Reformatoren
Daß es mit der ökumenischen Zusammenarbeit der christlichen Kirchen trotz aller Bemühungen des Konzils nicht immer klappt, haben die Diskussionen rund um die Kriegsende-Feiern gezeigt. Für Papst Pius X. stellte sich einst das Verhältnis zu den „andern” noch wesentlich anders dar.
Zum 300. Jahrestag der Heiligsprechung des Erzbischofs von Mailand, Karl Borromäus, der sich im 16. Jahrhundert für die Umsetzung der Beschlüsse des Konzils von Trient eingesetzt hatte, erließ Pius X. am 26. Mai 1910 - vor 85 Jahren - die Enzyklika „Editae saepe”, die den Heiligen als unermüdlichen Vorkämpfer und Berater der wahren Reform hervorhob.
Erneut, wie schon 1907, verurteilte die Enzyklika den „Modernismus” -das hatte damals zu einer Welle der Ketzerriecherei geführt, die auch vor treukatholischan Theologen und Bischöfen nicht haltmachte. Dann aber charakterisierte der Papst die Reformatoren des 16. Jahrhunderts als „stolze und rebellische Menschen, Feinde des Kreuzes Christi, die irdisch gesinnt sind, deren Gott der Bauch ist...”
Das aber wurde im protestantischen Deutschland, das dem Papst ohnehin nicht viele Sympathien entgegenbrachte, nicht gerne gelesen. Die Übersetzung dürfte noch schärfer ausgefallen sein, als der lateinische Urtext. Die Enzyklika wurde rasch bekannt, bevor sie noch von den Kanzeln verkündet worden war, und entfachte einen Entrüstungssturm.
Die deutschen Regierungen - im Reich und in den Ländern - wollten den konfessionellen Frieden nicht in Frage stellen. Auch der Papst hatte kein Interesse, die Aufregung noch weiter zu schüren. Deswegen wies Pius X. die deutschen Bischöfe an, jede amtliche Publikation der Enzyklika „Editae saepe” zu unterlassen, und im „Osservatore Romano” erschien seine Erklärung, er habe nicht im entferntesten die Absicht gehabt, die Andersgläubigen in Deutschland, geschweige denn ihre Fürsten zu beleidigen.
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