6685251-1962_13_08.jpg
Digital In Arbeit

„Es war ein gutes Gespräch“

Werbung
Werbung
Werbung

Mit viel irrigen Spekulatienen über die möglichen Hintergründe und Folgen ist seinerzeit der private Besuch des Berliner Bischofs und damaligen Ratsvorsitzenden der EKD, D. Otto Dibelius, bei dem Bischof von Rom und Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, Papst Pius XII., umgeben worden. Eine Nachrichtenagentur ging mit ihren Vermutungen sogar so weit, zu behaupten, Bischof Dibelius habe als einer der Präsidenten des Ökumenischen Rates der Kirchen um eine Papstaudienz gebeten, weil er mit ihm zusammen eine „Union aller Christen“ anstrebe. Der 81jährige Otto Dibelius bricht nun in seiner im Kreuz-Verlag (Stuttgart) erschienenen, überaus aufschlußreichen Autobiographie „Ein Christ ist immer im Dienst“ (Erlebnisse und Erfahrungen in einer Zeitwende) das bisher bewahrte Schweigen über diesen Vorgang. Er schildert, wie er am 22. Jänner 1956 auf der Reise zu einer ökumenischen Tagung in Australien in Rom zwischenlandete, um dort in der evangelischen Gemeinde zu predigen. Der Bischof fährt dann fort:

„Der Erste Botschaftsrat, der mich vom Flugplatz abholte, Katholik, fragte mich, ob ich den Papst besuchen wolle; er glaube, das arrangieren zu können. Ich war überrascht, sagte aber sofort zu. Konnte es nicht sein Gutes haben, wenn der Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland, der zugleich einer der Präsidenten im Weltrat der Kirchen war. bei solcher Gelegenheit dem Papst seinen Besuch machte? Hatte ich nicht in Istanbul den ökumenischen Patriarchen der Orthodoxen Kirche besucht?

Wie ich später erfuhr, machte die vatikanische Bürokratie zunächst erhebliche Schwierigkeiten. Pius XII. aber, als ihm die Sache vorgetragen wurde, entschied sofort: er wolle mich sehen. Der Besuch fand statt. Von irgendwelchen Problemen des Zere-mW^Äs.ii&er.imnen evangeU&shen^Bj;; sehof hätten in Verlegenheit bringe können,- war .nicht die Rede,)FEs war eine ungezwuneene Unterhaltung. Die gegenwärtige Laee der Kirche Jesu Christi in der Welt, insbesondere in Deutschland, bot Stoff genug. Ich

konnte aus Berlin erzählen. Ich konnte etwas von der Ökumene sagen. Aber das Gespräch lenkte immer wieder auf Deutschland zurück. Pius XII. liebte Deutschland. Er nahm besonderes Interesse an Berlin. Daß jetzt auch in Deutschland aller christlicher Glaube und alles christliche Leben durch den Kommunismus auf Leben und Tod bedroht werde, war auch seine ernste Sorge. Es war ein gutes Gespräch. Ich hatte Mtihe,, die vom Protokoll festgelegte Zeit nicht allzusehr zu überschreiten. '

In Deutschland haben viele meiner Freunde über diesen meinen Papstbesuch befremdet und entrüstet den

Kopf geschüttelt. Sie sahen darin so etwas wie eine Unterwerfung unter die päpstlichen Ansprüche, so wie sie einst Leo XIII. gegenüber dem alten Kaiser Wilhelm formuliert hatte. Ich verstand diese Bedenken. Natürlich verstand ich sie. Die ganze vierhundertjährige Geschichte des deutschen Protestantismus kam darin zum Ausdruck. Aber — ich teilte sie nicht.

Ich hatte den Eindruck, als seien wir durch den Umbruch der Zeit in eine völlig neue Haltung hineingerufen.

Ich habe Begegnungen mit Staatsoberhäuptern und Kirchenfürsten nie in meinem Leben gesucht. Wo sie aber auf mich zukamen, habe ich sie immer in der fröhlichen Freiheit eines Christenmenschen wahrgenommen. Ich habe nie das Gefühl gehabt, meinem Vaterland oder meiner Kirche durch ein höfliches oder durch ein freundschaftliches Gespräch etwas zu vergeben. Im Gegenteil: je bedeutsamer die Verschiedenheiten und Gegensätze, um so wichtiger scheinen mir persönliche Begegnungen zu sein. Das alles galt für mich auch der katholischen Kirche gegenüber.

Daß ich einer anderen kirchlichen Welt zugehörte als Eugenio Pacelli, genannt Pius XII. — dies Bewußtsein hat mich während unserer Unterhaltung nicht einen Augenblick verlassen. Nichts lag mir ferner, als diesen Unterschied auch nur mit einem Zwirnsfaden überbrücken zu wollen. Von gutgemeinten, aber voreiligen Una-sancta-Gesprächen habe ich mich mein Leben lang ferngehalten. Aber ich habe dankbar empfunden, daß unter Christenmenschen Respekt und Zuneigung möglich sind, die aus einer höheren Welt stammen — auch wenn man zu verschiedenen Kirchen gehört. Das kluge, freundliche Asketengesicht Pius XII. mit seinen lebendigen Augen vergißt man nicht, wenn man ihm gegenübergesessen hat. Sollte es das letzte Wort. Gottes an seine Menschenkinder sein, daß das geschichtliche Erbe, unter dem sie stehen, die volle Gemeinschaft unmöglich macht?

Ich habe einmal einem meiner Freunde nach scharfer, öffentlicher Auseinandersetzung, in der ich auch nicht einen Schritt zu weichen vermochte, die Hand gereicht, halb scherzhaft und halb im Ernst, mit dem Vers aus unserem Gesangsbuch: ,... im Himmel soll es besser werden, wenn ich bei deinen Engeln bin!' Das mag am Ende auch von Evangelischen und Katholiken gelten!“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung