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Kritische Bemerkungen zu einem Geschichtswerk

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Auch dieser dritte Band ist ein Muster klarer Darstellung und reicher Information sowie ein anerkennenswerter Versuch zu objektiver Darstellung. Hermelink scheint das Ideal einer überkonfessionellen Forschung anzustreben (S. 503), und man muß es ihm hoch anrechnen, daß er zum Beispiel die katholische Luther-Forschung der Neuzeit (Sebastian Merkle, Josef Lortz, Joh. Hessen) so hoch einschätzt, daß sie seines Erachtens „zu weiteren Hoffnungen der Zusammenarbeit gerade in diesem umstrittenen Gebiet der Kirchengeschichte berechtigt“. Da wir annehmen, daß Hermelink von einer katholischen Zeitschrift eher eine prinzipielle Besprechung als das übliche Pauschallob erwartet, erlauben wir uns einige Bemerkungen in bezug auf die auch unseres Erachtens so notwendige Zusammenarbeit. Beurteilt man nun eben mit diesem Maßstab jene Abschnitte, in denen die katholische Kirche zur Sprache kommt, so gewinnt man nicht den Eindruck, daß Hermelink das Ideal der überkonfessionellen oder nur einer irenischen Einstellung erreicht hat. Manchmal spürt man in diesen Darstellungen eine gewisse Animosität oder Gereiztheit, die sich dann in überspitzten Formulierungen äußert. Es ist ihm nicht nur unmöglich, die Geschichte des Vatikanischen Konzils mit gebührendem Ernst zu behandeln, sondern er kommt sogar zu objektiven Fehlurteilen, zum Beispiel wenn er behauptet, die constitutio dogmatica verwerfe „jede denkende Fortbildung der Glaubenslehre“. Obwohl er die Haltung des katholischen Klerus im Kulturkampf objektiv darstellt, kann er sich doch nicht zu einem Wort der Anerkennung entschließen, wohingegen er mit negativen Werturteilen nicht spart. So wird Windthorsts Taktik „Demagogie“ genannt. Pius X. zählt zwar zu den großen Päpsten, aber es ist doch reichlich übertrieben, seine Reform der Kurie, die er übrigens von dem hochgepriesenen Leo XIII. übernommen hat, eine Herkulesarbeit zu nennen, „die an die Reinigung des Augiasstalls erinnerte“ (S. 509). Wir verstehen es, daß es einem evangelischen Kirchenhistoriker schwerfällt, sich ein objektives Bild der katholischen Autoritätsauffassung und der Mariologie zu formen oder ohne Ressentiment als Historiker den s t i 1 u s c u r i a e zur Kenntnis zu nehmen, aber es wäre doch nicht notwendig gewesen, anläßlich der Heiligsprechung Pius X. zu schreiben: „So haben die 77 heiligen Päpste . .. nach einer Pause von 200 Jahren ihren 78. Genossen bekommen.“ In der Darstellung des Modernismus ergreift Hermelink für einen Historiker viel zu einseitig die Partei der Modernisten oder deren Förderer. Wenn er Friedrich von Hügel als ein „Musterbeispiel katholischer Universalität“ preist und von Tyrell — teilweise mit Recht — behauptet, er sei „von einer tiefen katholischen Frömmigkeit durchdrungen“, so hat die Qualifikation „katholisch“ in beiden Fällen eine andere Bedeutung als wenn jene Institution diesen Begriff anwendet, die tatsächlich katholisch ist. Hingegen wird — mit einer Ausnahme (S. 522 f.) — für die Haltung der Kirche gegenüber dem Modernismus kein Verständnis aufgebracht. Im Gegenteil, Hermelink nennt die Enzyklika „Pascendi“ ein Monstrum, das die „verheißungsvollen Anfänge eines Reformkatholizismus“ niederschmetterte und wodurch „der deutschen katholischen Theologie ein Schlag versetzt wurde, von dem sie sich bis zum heutigen Tage noch nicht erholt hat“. Der Verfasser kann über gewisse

Figuren, wie Benigni, seine Meinung haben, so wie wir, aber was berechtigt ihn zu dem unhaltbaren Pauschalurteil über die Entwicklung der katholischen Theologie Deutschlands? Doch nicht der Historiker? Oder vielleicht der evangelische Dog-matiker, der eine andere Entwicklung vorgezogen hätte? Aber dann hat er das Gebiet der Geschichtsschreibung verlassen. Und wenn der Verfasser sich auf Schmidlin berufen sollte, so weiß er selbst gut genug, daß der Geist, der aus diesem scharfen Kritiker sprach, ein ganz anderer war als das refor-matorische Prinzip.

Auch in der protestantischen Kirchengeschichtsschreibung hat sich vieles zum besseren geändert, aber Hermelink hat das von ihm verfochtene Ideal nicht erreicht. Vielleicht ist es sogar ohne richtige Zusammenarbeit nicht zu erreichen und wäre statt der überkonfessionellen Haltung des einzelnen eine interkonfessionelle Gemeinschaftsarbeit anzustreben. Auch wir begrüßen eine prinzipielle Haltung und ziehen sie einer angeblich objektiven, partei- und farblosen vor, nur wäre es eine bessere Methode gewesen, wenn Hermelink, nach dem Vorbild einiger holländischer Theologen, wenigstens die sogenannten katholischen Abschnitte gemeinsam mit einem katholischen Historiker redigiert hätte. In Holland ist die Zusammenarbeit noch weiter gegangen und zeichnen evangelische und katholische Verfasser gemeinsam verantwortlich für den ganzen endgültigen Text.

DDr. Nico Greitemann

Theater. Von Elisabeth Brock-Sulzer. Kösel-Verlag, München. 234 Seiten. Preis 11.80 DM.

Die Verfasserin, Theaterkritikerin der „Schweizer Monatshefte“ und der „Tat“, legt hier Zeugnis über ihre innere Beziehung zum Theater ab. Es ist Liebe, und so hat das Buch auch den Untertitel „Kritik aus Liebe“. Im Vorwort heißt es: „Einer Theateraufführung nachdenken, sich ihrer erinnern, sie sich er-innern, einverleiben und damit vielen gleichartigen oder wesentlich entgegengestellten Erlebnissen be-nachbaren, das ist ein Geschäft, dem sich gerade der passionierte Theaterbesucher zu selten verschreibt.“ Er kann die Fülle der Eindrücke nur durch klärende

Ueberlegung bewältigen. E. Brock-Sulzer will sich klarwerden über das Wesen ihrer Forderung an das Theater („Denn am amorphen Zuschauer wird das Theater amorph“ — und umgekehrt). In einer Reihe von Essays behandelt sie nun die verschiedenen Aspekte und Probleme des Theaters: dramaturgische Fragen, Inszenierung und Schauspielkunst. Erlebte Aufführungen werden als Beispiele genommen. Was sie über das „Selbstzweckliche Theater“, das „Dienende Theater“, Klassik und Klassiker, Regisseur, Schauspieler und Publikum sagt, ist das Ergebnis einer reichen Erfahrung, verfeinerter Eindrucksfähigkeit und echter Bemühung, das Essentielle zu erfassen. Mag man auch manches etwas gesucht finden und über einzelnes anderer Meinung sein, so fühlt man doch, daß die leidenschaftliche Liebe der Autorin zum Theater mit feinein Verstehen der künstlerischen Problematik verbunden ist, und schöpft aus den Aufsätzen so manche Anregung.

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