Man wollte diesen Krieg!"

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Sensationsmeldungen über angebliche Massenvernichtungswaffen und nicht die unter den Sanktionen leidenden Iraker interessierte die Medien vor dem Irak-Krieg, kritisiert der ehemalige UN-Koordinator des "Öl für Lebensmittel"-Programms im Irak,

Die Furche: Herr Sponeck, wie bewerten Sie die Rolle der Medien im Vorfeld des letzten Irak-Kriegs?

Hans-Christoph Graf Sponeck: Was man damals gelesen hat und worüber sehr ausführlich berichtet wurde, waren Sensationsmeldungen zu den Spekulationen über Saddams angebliche Massenvernichtungswaffen; was hingegen kaum Beachtung und Berichterstattung in den Medien gefunden hat, war die katastrophale Situation, in der sich die von den Sanktionen getroffene Bevölkerung befunden hat. Dieses Leiden war kein Thema, dieses Leiden wurde fast vollständig von der erfolglosen Suche nach den Massenvernichtungswaffen überschattet.

Die Furche: Was war der Grund dafür - allein die Tatsache, dass gefährliche Atom-oder Bio-Waffen mehr schlagzeilentauglich als hungernde, kranke irakische Kinder sind?

Sponeck: Einen wichtigen negativen Einfluss für diese Schieflage in der Berichterstattung hat auch der Druck von amerikanischer und britischer Seite ausgeübt, die Informationen über die wirkliche Situation im Irak zurückzuhalten. Dazu kommt, dass sich die irakische Seite recht ungeschickt verhalten hat: In der Anfangszeit der un-Sanktionen hat man dramatisiert, eine Politik des Leidens zur Schau gestellt - das war kontraproduktiv. Und als dann Mitte der 1990er-Jahre die menschliche Tragödie tatsächlich eingetroffen ist, hat es der irakischen Seite an Glaubwürdigkeit gefehlt.

Die Furche: Hat dabei nicht auch die generelle Ablehnung gegen Saddam Hussein eine große Rolle gespielt?

Sponeck: Eine reife Politik, die Fakten in den Entscheidungsprozess einfließen lässt, hätte es trotzdem geben können. Als wir das "Öl für Lebensmittel"-Programm verhandelt haben, ist das auf beiden Seiten mit großem Ernst geschehen - die Iraker hatten nicht die Absicht, das Programm zu missbrauchen.

Die Furche: Warum ist es dann doch zu Unregelmäßigkeiten und Korruptionsfällen gekommen?

Sponeck: Es überrascht vielleicht, wenn ich sage, dass diese Unregelmäßigkeiten viel mit der Politik des uno-Sicherheitsrates zu tun hatten. Die Sanktionen erlaubten dem Irak für seine Öllieferungen allein Güter, aber kein Bargeld zu erhalten. Doch jedes Land, jede Regierung braucht auch Geld - um ihre Beamten zu bezahlen, um die öffentliche Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Das heißt, der Irak musste sich dieses Geld durch illegale Ölexporte beschaffen - keine Frage, dabei ist auch viel in Saddams Luxus geflossen, aber der weitaus größte Prozentsatz dieser Gelder ist in die Verwaltung gegangen.

Die Furche: Die Untersuchungskommission zum "Öl für Lebensmittel"-Programm hat aber doch Anklage gegen un-Beamte erhoben und auch Kofi Annan ist nicht unbeschädigt aus der Affäre hervorgegangen.

Sponeck: Ich bin froh, dass es diese unabhängige Kommission gegeben hat. Die Untersuchungsergebnisse haben gezeigt, dass nicht die uno als Einrichtung korrupt gehandelt hat; die Vereinten Nationen sind deswegen nicht als Ganzes beschädigt worden - wie es einige, besonders in den usa, gerne gehabt hätten. Drei uno-Beamte haben sich bei diesem Programm etwas zuschulden kommen lassen - das ist traurig, schmälert aber nicht den generellen Nutzen dieses 64-Milliarden-Dollar-Projekts. Eine große Enttäuschung war aber für mich, dass nicht auch die Sanktionenpolitik des Sicherheitsrats von dieser Kommission geprüft wurde.

Die Furche: Was wäre dabei herausgekommen?

Sponeck: Der Sicherheitsrat hatte 22 Optionen, wie er mit dem Irak umgehen konnte - übrig geblieben ist immer die eine, die harte Linie der Amerikaner und Briten. Die Kooperation mit den Irakern war gut, solange nicht der Nationalstolz ins Spiel kam - ausgelöst durch die immer wieder enttäuschten Hoffnungen auf ein Ende der Sanktionen. Der Irak war das am besten geröntgte Land - man kannte jeden Winkel, jedes Loch. Zum Schluss standen die Iraker vor der Forderung, das Nichts zu beweisen - eine bewusste Unmöglichkeit; man wollte diesen Krieg, und nichts hätte die amerikanische und britische Regierung davon abhalten können.

Buchtipp:

Ein anderer Krieg

Das Sanktionenregime der UNO im Irak Von Hans-C. Graf Sponeck

Hamburger Edition, Hamburg 2005

364 Seiten, geb., E 35,-

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