Evangelischer Pionier der Ökumene

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Am 16. Jänner ist im Alter von 97 Jahren Oscar Cullmann gestorben. Mit ihm ist ein bedeutender Theologe und einer der Pioniere der Ökumene abgetreten.

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Am 16. Jänner ist im Alter von 97 Jahren Oscar Cullmann gestorben. Mit ihm ist ein bedeutender Theologe und einer der Pioniere der Ökumene abgetreten.

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Oscar Cullmann wurde 1902 in Straßburg geboren; 1938-71 war er Professor für Altes Testament und Geschichte der alten Kirche in Basel, unterrichtete aber auch an der Sorbonne und an der Ecole des Hautes Etudes in Paris und an den evangelischen theologischen Fakultäten in Paris und Rom, sowie an vielen anderen Orten. Als Leiter des internationalen Studentenheims Alumneum in Basel wurde er der Vater vieler Studenten. In den Jahren der Studentenunruhen war er Rektor der Basler Universität und bemühte sich erfolgreich um Verständigung über die Universitätsreform.

Cullmann war hervorragender Historiker, wovon zahlreiche Werke zeugen. Beeindruckend sind kleinere Arbeiten, etwa zur Entstehung des Weihnachtsfestes oder zur Frühgeschichte der Glaubensbekenntnisse, wahre Kleinodien historischer Literatur.

In der Auseinandersetzung über das Geschichtsverständnis versuchte er, gegen den Hauptvertreter der "Entmythologisierung" der Bibel, Rudolf Bultmann, und andere sein Konzept der Heilsgeschichte zu behaupten. Es gehört zu den Enttäuschungen seines Lebens, daß er darin nicht durchdrang.

Früh öffnete sich der Lutheraner der ökumenischen Herausforderung und begann den Dialog mit Katholiken und Orthodoxen. Sein Petrus-Buch verschaffte ihm auch in der katholischen Kirche bis in höchste Ränge einen weiten Leserkreis.

Am eindrucksvollsten war die gemeinsam mit O. Karrer entwickelte Idee, nach dem Modell des Apostelkonzils, wie es in der Apostelgeschichte beschrieben ist, Versöhnung zwischen den Kirchen zu stiften: Damals trennte sich die Judenmission (von Petrus vetreten) und die Heidenmission (Paulus), die Einheit der Kirche wurde aber festgehalten durch Kollekten der heidenchristlichen Gemeinden für die Armen in Jerusalem. Je eine evangelische Gemeinde sollte für ein Projekt einer katholischen Gemeinde sammeln, und umgekehrt, ein für die 50er Jahre sensationeller Plan.

Als das II. Vatikanische Konzil ausgerufen wurde, wurde Cullmann zu einem der Konzilsbeobachter aus der Ökumene berufen. Neben Karl Barth war er es, der viele Studenten aus aller Welt nach Basel zog. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt. Zahlreich waren seine Berufungen und Ehrungen. Ihm wurde als erstem Protestanten 1993 der Papst-Paul-VI.-Preis überreicht.

Von früher Jugend an einer Muskelschwäche der Augenlider leidend, war er persönlich sehr einsam, auch trocken und wenig farbig. Hinter dieser äußeren Schale verbarg sich aber viel Liebe zu den Studenten, viel Sehnsucht. Er hätte gerne Kinder gehabt. Er hat sich vielen Studenten persönlich sehr zugewandt, vor allem, wenn sie sich eigenständig zeigten; er hat sie liebevoll betreut, und sie nie vergessen.

Es ist dieser Eifer und diese liebevolle Leidenschaft für die anderen, die hinter seinem ökumenischen Engagement stand und ihm das Feuer verlieh, das das gegenseitige Kennenlernen und Anerkennen forderte.

Er darf nicht vergessen werden.

Der Autor, evangelischer Oberkirchenrat und Professor für Systematische Theologie, studierte unter anderem bei Oscar Cullmann.

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