Kammerspiel der Liebe: Große Freiheit
Sebastian Meise über sein gefeiertes Filmdrama „Große Freiheit“, das Homosexualität in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg verhandelt.
Sebastian Meise über sein gefeiertes Filmdrama „Große Freiheit“, das Homosexualität in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg verhandelt.
Wer in der Zeit des Nationalsozialismus schwul war, ist nicht selten im Konzentrationslager gelandet. Doch auch nach dem Ende der NS-Zeit blieb Homosexualität ein Tabu und strafbar. Im Nachkriegsdeutschland kommt der schwule Hans Hoffmann (Franz Rogowski) somit direkt vom KZ in die weitere Verwahrung im Gefängnis. Das liegt am berüchtigten Paragrafen 175, der weiterhin in Kraft bleibt. Die einzige Konstante, die Hans in seinem Leben hat, ist sein Zellengenosse Viktor (Georg Friedrich) – ein verurteilter Mörder. Beide hegen füreinander zunächst eine große Abscheu, aber das Eis bricht bald: Zwischen Hans und Viktor entsteht so etwas, das man Liebe nennen könnte.
Regisseur Sebastian Meises Drama „Große Freiheit“, das nun in den Kinos startet, wurde in Cannes im Juli von den Kritikern umjubelt und bei der diesjährigen Viennale im Oktober mit dem Wiener Filmpreis ausgezeichnet. Dem Filmemacher gelingt dank seiner großartigen Besetzung famoses Schauspielerkino, das von Blicken und Gesten lebt und in dem das Thema der Verfolgung von Homosexuellen im Nachkriegsdeutschland mit viel Feingefühl verhandelt wird. Meise legt Wert auf die faktischen Umstände, in der Schilderung seiner Geschichte spielt auch die Haftanstalt wie eine eigene Figur im Film eine Rolle. Auf engstem Raum entfaltet sich dort die Zuneigung zwischen den Protagonisten in Form einer reduzierten, aber darum umso intimeren Annäherung.
DIE FURCHE: Herr Meise, wie haben Sie zu diesem Thema recherchiert?
Sebastian Meise: Wir haben Berichte von schwulen Männern gelesenen, die nach dem Krieg aus dem KZ kamen und direkt vom KZ aus ins Gefängnis transferiert wurden, weil sie noch eine Reststrafe absitzen mussten. Und das war der Ausgangspunkt, bis dahin wusste ich nichts von diesem Paragrafen und begann zu recherchieren. In Österreich gab es ja einen ähnlichen Paragrafen, der hieß halt anders, § 129. Die Recherchen haben gezeigt, mit welchem unglaublichen Aufwand da der Staat agiert hat und wie penibel die Sittenpolizei gegen Homosexuelle vorgegangen ist.
DIE FURCHE: Medial ist dieser Paragraf nur wenig aufgearbeitet. Hingegen sind politische Bespitzelungen, etwa in der DDR, sehr genau dokumentiert. Wieso hat man die sexuelle Orientierung so stark totgeschwiegen?
Meise: Ich weiß es nicht, es gibt sehr wenig Aufzeichnungen darüber, und auch kaum künstlerische Auseinandersetzungen. Es gibt ein paar Dokumentarfilme. In Spielfilmen ist das Thema manchmal geschickt gestreift worden, aber im großen Stil habe ich das noch nie gesehen, und das hat vielleicht auch damit zu tun, dass der Paragraf noch vor gar nicht allzu langer Zeit erst abgeschafft wurde, nämlich 1994.
DIE FURCHE: Wieso waren Georg Friedrich und Franz Rogowski die Idealbesetzung für den Film?
Meise: Wegen der gemeinsamen Energie, die sie entwickelt haben. Wenn man die zusammenbringt, dann entsteht da eine Chemie, die man eigentlich nur noch einfangen braucht, so gut wie es geht. Beide sind sehr unterschiedlich. Georg ist viel intuitiver als Franz, würde ich sagen. Aber sie beide treffen sich in ihrer Genauigkeit, sind immer wahnsinnig gut vorbereitet, und Franz hat sich auch ewig mit der Rolle auseinandergesetzt, hat extra Gewicht abgenommen und nähen gelernt. Beide geben sich ihren Rollen absolut hin. Ich hätte den Film eigentlich nicht ohne sie machen können, würde ich sagen. Ich hätte nicht gewusst, was ich getan hätte.
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