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Höllisch Ruth Drexel, allseits bekannte Schauspielerin und Indentantin am Müncher Volkstheater, inszeniert Johann Nestroys Posse "Höllenangst" mit derart höllischem Esprit, daß man "Teufel auch!" rufen möchte, selbst wenn Beelzebub daraufhin höchstpersönlich durch den Schornstein gefahren käme. So erlebt im Haus des weingeistigen Flickschusterphilosophen Prim, der mit Oswald Fuchs' grandios-komödiantischer Lebensfülle dem Teufel eine metaphorisch plazierte Faustwatsch'n verabreichen möchte. Hat doch Sohn Wendelin - Cristo Melingo, prachtvoll in seiner volkhaften Nestroy-Hintergründigkeit - einen schaurigen Bund mit dem vermeintlichen Gottseibeiuns geschlossen. Wie man sich aus den geheimnisvoll angedeuteten Verbrechen und labyrinthischen Politwirrnissen - aktualisiert und persifliert durch "Königskobra"-, "Parteimascherl"- oder "Bärental"-Couplets - wieder mit Nestroyscher Possierlichkeit herauswurschtelt, ist zum Teufelholen komisch geraten. (Was bei dieser Nestroy-Posse, die sich oftmals in naiver Situationskomik verlieren könnte, keine Selbstverständlichkeit ist!) Verteufelt gutes Theater, zu Herzen gehend und höllisch vergnüglich. Helga Reichart Glutrot Helmut Wiesners Inszenierung von Franz Grillparzers Trauerspiel "Die Jüdin von Toledo" im Theater Gruppe 80 sucht und findet in den Figuren die zerrissene Persönlichkeit des Dichters. Beinahe surreal wirkt Carlo Tommasis Bühnenraum, ein Garten, in dem glutrot und wasserumspült ein Himmelbett leuchtet. Ins Zeitlose entrückt scheinen die Figuren. König Alfonso ergibt sich für kurze Zeit seiner Leidenschaft für die schöne Rahel, um später in einer abrupten Wandlung den Staatsmann und Verstandesmenschen in sich Überhand gewinnen zu lassen. Hary Prinz verkörpert diesen entschlußlosen Charakter zeitweilig, als stünde er forschend neben sich und müßte jedes Wort einzeln zerpflücken. In sich hineinhorchend blättert auch Klaus Fischer die tieferen Schichten des alten Isaak auf. Hinter der Geldgier läßt er tiefsitzende Lebensangst spüren. Beides, das Postulat der Vernunft und die Existenzangst führen zum Dichter. Mit Doris Hick als unbändig ihren Gefühlen ergebener Rahel, Gabriela Hütter (Esther), Thomas Kamper (Garceran) bietet sich ein Traumspiel mit starken Momenten psychologischer Hellsichtigkeit. Annemarie Klinger Dämonisch "Candide oder der Optimismus": Leonard Bernsteins Oper, uraufgeführt 1956, setzt hohe Maßstäbe. Das literarische Libretto nach einem philosophischen Roman Voltaires - 1759 erschienen und sofort auf den Index gesetzt - wirft die Frage nach dem Guten im Menschen auf, um sie vehement zu verneinen. Die Neue Oper Wien hat mit dem Stoff ihr Gespür für Aktualität bewiesen. Pointiert witzig führt ein Erzähler durch das Wirrwarr von Schauplätzen, Kriegen, Bordellen, Massakern, Schiffbrüchen. Alexander Kaimbacher ist die Rolle des naiven Toren Candide auf den Leib geschrieben, Rupert Bergmann gibt einen grandios zynischen, dämonischen Pangloss. Cunegondes Koloraturen perlen aus Lela Wiche nur so heraus. Walter Koberas Orchester meistert das musikalische Wechselbad (Kirchenchoräle, Broadwaymusik und Barock) mit Bravour.

Die äußerst grelle, skurrile Kostümierung im spartanischen Bühnenbild von Friedrich Despalmes und die rasant-witzige Inszenierung von Leonard Prinsloo kämpfen erfolgreich gegen die Längen im Werk an. Isabella Marboe

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