"Nicht Rattenfängern nachlaufen“

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Der deutsche Grün-Abgeordnete und EU-Sprecher Manuel Sarrazin über die Währungskrise, die Ziele einer neuen Politik und die Verantwortungslosigkeit deutscher Ökonomen.

Manuel Sarrazin ist europapolitischer Sprecher der Grünen im deutschen Bundestag. Er ist mit Thilo Sarrazin ("Europa braucht den Euro nicht“) nicht verwandt und vertritt eine in allen Punkten andere Politik als sein berühmter Namensvetter.

Die Furche: Die Krisenpolitik der deutschen Regierung steht in diesen Tagen unter scharfer Kritik - aus den USA aber auch aus Europa. Ist sie gerechtfertigt?

Manuel Sarrazin: Wir erleben eine Krisenpolitik, die sehr stark darauf setzte, dass Angela Merkel und Nicolas Sarkozy alleine Entscheidungen gesetzt haben. Da haben nun viele gemeint, Merkel sei sehr stark aufgrund dieses Phänomens. Jetzt erkennen wir: Das Gegenteil ist der Fall: Merkel hat sogar in ihren eigenen Reihen Probleme, selbst wenn sie in der Öffentlichkeit versucht, das Bild der starken teutonischen Retterin oder Sparerin zu vermitteln. Wenn Merkel und Sarkozy bei einem Strandspaziergang in Deauville die Linie festlegen, stellt das ja auch die Legitimität der Krisenpolitik selbst infrage. Eine gute Kanzlerin wäre zudem in der Lage, Kompromisse, die sie macht, ehrlich zu benennen. Wir haben dagegen eine Kanzlerin, die der Bevölkerung immer ein X für ein U vormacht.

Die Furche: Sie selbst verurteilen die Austeritätspolitik?

Sarrazin: Merkel schafft es nicht, den anderen Staaten ein Angebot zu machen, wie man auf ihre Weise aus der Krise herauskommt. Wir, die deutschen Grünen, sprechen uns dafür aus, eine Banklizenz für den Rettungsmechanismus zu schaffen, und Eurobonds oder einen Schuldentilgungsfonds einzurichten. Diese Rezepte muss man natürlich kombinieren mit Schuldendisziplin und auch damit, dass man die Verschuldung in den Staatshaushalten angeht. Man kann sparen, aber auch die Einnahmen steigern - zum Beispiel über eine gesamteuropäische Finanztransaktionssteuer.

Die Furche: Meine Sie, Frankreich ist da mit seinen Forderungen auf dem richtigen Weg?

Sarrazin: Nein, ich glaube, dass die reine Wachstumsdebatte, wie Francois Hollande sie betreibt, nicht genügend die ökologische Verschuldung gerade in den südlichen Staaten in Betracht zieht. Sie müssen sehr viel Energie importieren. Wir brauchen auch Investitionen in die ökologische Wende und nicht irgendein blindes Wachstum nach einem Modell aus dem vergangenen Jahrhundert. Außerdem müssen die europäischen Institutionen mit weit mehr Kompetenzen ausgestattet werden. Gerade die aktuelle Krisenpolitik hat sie entscheidend geschwächt.

Die Furche: Hängt nicht das eine mit dem anderen zusammen? Die Diskussion über ein Ende der finanziellen Solidarität mit der Weigerung, Macht nach Brüssel abzugeben?

Sarrazin: Ich glaube, dass diese Krise Europa stark verändern wird. Wir erleben schon erste Anzeichen einer Wirtschaftsregierung. Wir sollten aufhören zu glauben, nur die Regierungen seien Handelnde in diesen Fragen. Die Parlamente müssen wieder eingebunden werden. Das Mehr an Europa muss ein Mehr an Demokratie umfassen.

Die Furche: Es gibt zahlreiche deutsche Ökonomen, die derzeit gegen den Euro mobil machen. Gibt ihnen denn nicht auch die Politik der Kanzlerin recht, die bisher eigentlich erfolglos war und bloß Zeit erkauft hat unter dem Einsatz von Hunderten Milliarden?

Sarrazin: Man muss die Dinge auseinanderhalten. Wenn Griechenland ausscheiden sollte, produziert das eine verlorene Generation. Das Land wird dann auch zunehmend die internationale Stabilität in seinem Umfeld bis hin zum Nahen Osten beeinträchtigen. Ich kenne niemanden, der die Risiken eines Euro-Austritts Griechenlands wirklich abschätzen könnte. Ich warne auch dringend davor, denjenigen auf den Leim zu gehen, die behaupten, das wäre früher einfach und ohne Risiken gegangen. Das sind Menschen, die selbst die Risiken nicht abschätzen können und am Ende nur versuchen, sich selbst gut darzustellen. Zum Teil sind das auch Ökonomen, die ihren alten Kampf gegen den Euro weiterführen, den sie vor 20 Jahren begonnen haben. Es ist falsch, diesen Rattenfängern wieder hinterher zu laufen, auch wenn die Situation schwieriger ist, als wir sie uns erhofft hätten.

Die Furche: Aber was wäre denn nun Ihr Rezept wie Griechenland in den kommenden Monaten konkret geholfen werden kann?

Sarrazin: Wir müssen Griechenland aktiv helfen, diese Krise zu meistern und sie im Euro zu halten. Ein Auseinandergehen wäre ein Bruch der europäischen Integration, wie sie seit Gründung der Gemeinschaft geübt wird. Das wäre der falsche Weg. Ich bin sicher, am Ende werden wir wieder bei den Eurobonds landen. Auch als ein Signal, das bei den Investoren Vertrauen schafft, dass Europa gemeinsam aus der Krise kommen will. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille: Griechenland selbst wird eine echte Reform nur von Innen heraus schaffen. Wir können es dabei begleiten. Nicht bei der Rückkehr an die Märkte, sondern auch politisch. Das griechische Volk muss sich wieder von seinen Politikern vertreten fühlen.

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