Unterwasserflimmern

„Unterwasserflimmern“: Sex als Sprache

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Katharina Schaller beschreibt in ihrem ersten Roman „Unterwasserflimmern“ den Kampf gegen alte Geschlechterrollen und inszeniert Sex als Sprache.

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Katharina Schaller beschreibt in ihrem ersten Roman „Unterwasserflimmern“ den Kampf gegen alte Geschlechterrollen und inszeniert Sex als Sprache.

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Es würde sich als Einstieg anbieten: Die Beschreibung der Debütautorin, wie sie beim Online-Interview in ihrer Küche sitzt, jung, lange Haare, eine gewisse Coolness ausstrahlend, Zigarette in der Hand. So schon hunderte Male in Kritiken gemacht, und eigentlich unbedingt zu vermeiden, in die Welt gesetzt ist das Bild jetzt trotzdem. Mal sind es die melancholischen Rehleinaugen, die bei jungen Autorinnen betont werden, mal ist es die rauchende Lässigkeit. So wie Autorinnen mit der Beschreibung und Vermarktung ihres Äußeren zu kämpfen haben, so sind sie auch hartnäckig damit konfrontiert, dass ihre Bücher autobiografisch gelesen werden. Katharina Schaller geht es da nicht anders.

Ihr Roman „Unterwasserflimmern“ erzählt von einer jungen Frau, deren Freund Emil eine Familie gründen will. „Und dann sagt er: ‚Ich will Vater werden.‘ Ich bleibe stehen, und Emil geht weiter. Er geht weiter, als könnten wir dieses Gespräch während eines Spaziergangs führen, als würden wir dabei nicht unsere Augen oder die Körpersprache des anderen brauchen, als wäre die Antwort so einfach.“ Die Ich-Erzählerin ist nicht bereit, Mutter zu werden und sich den gesellschaftlich auferlegten Konventionen zu beugen. Frei davon ist sie aber keineswegs. Immer wieder schleichen sich diese in ihre Gedanken und Worte. Und gleichzeitig verfügt sie über eine feine Wahrnehmung, reagiert auf kleinste Details, Gerüche, Gesten. Für Sex aber steht ihr sprachlich wenig Kreatives zur Verfügung. Und das durchaus mit Absicht.

Katharina Schaller beschreibt Sex explizit und ohne Weichzeichner. Ihre Ich-Erzählerin hat eine Beziehung, geht aber fremd. Sie hat schnellen harten Sex beim Ausgehen, eine regelmäßige Affäre mit dem Familienvater Leo, sie schläft mit Männern und Frauen. Die Art und Weise, wie Schaller Sex beschreibt, erinnert nicht zufällig an die französische Kunstkritikerin Catherine Millet, die 2001 mit ihrem autobiografischen Buch „Das sexuelle Leben der Catherine M.“ einen Skandal provozierte. Wer meint, nach diversen Grautönen und Feuchtgebieten rege das heute niemanden mehr auf, der irrt. „Ich glaube, dass es nach wie vor ein Tabu ist, vor allem im deutschen Sprachraum“, meint Schaller im Gespräch. „Erste Reaktionen von Lesern und Leserinnen zeigen, dass die Wahrnehmung hier stark auseinander geht: Viele finden es toll, aber viele fühlen sich auch vor den Kopf gestoßen davon, dass eine Frau so etwas schreibt. Wenn Frauen über Sex schreiben, dann erwartet man sich immer noch, dass das blumig und schön und nett ist. Wenn Michel ­Houellebecq beschreibt, wie eine Frau Sex mit einem Hund hat, regt sich da kaum jemand darüber auf. Da konzentriert man sich lieber auf das Politische.“

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