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Vielgesichtige Komödie

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In der Sparte des Sprechstückes steht derzeit am Tiroler Landestheater die Komödie hoch im Kurs. Nachdem Rudolf Kautek im Großen Haus handfeste Regieeinfälle und saubere Arbeit in Grillparzers „Weh’ dem, der lügt“ investiert hatte, ließen auch die Kammerspiele den alten Comödi- hausgeist durch ihre Eröffnungspremieren poltern. Die Wahl fiel auf zwei Werke mit beträchtlichem Altersunterschied, die sich, wie das so vorkommen soll, bestens ergänzten. Fast vierhundert Jahre trennen Max Frisch und seine mit kühlem Intellekt ausgeleuchtete „Biografie“ von Ben Jonsons prallem, vollsaftigem „Volpone“, der in der Bearbeitung durch Stefan Zweig zu einem Gustostückeri auch des deutschen Theaters wurde.

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In der Sparte des Sprechstückes steht derzeit am Tiroler Landestheater die Komödie hoch im Kurs. Nachdem Rudolf Kautek im Großen Haus handfeste Regieeinfälle und saubere Arbeit in Grillparzers „Weh’ dem, der lügt“ investiert hatte, ließen auch die Kammerspiele den alten Comödi- hausgeist durch ihre Eröffnungspremieren poltern. Die Wahl fiel auf zwei Werke mit beträchtlichem Altersunterschied, die sich, wie das so vorkommen soll, bestens ergänzten. Fast vierhundert Jahre trennen Max Frisch und seine mit kühlem Intellekt ausgeleuchtete „Biografie“ von Ben Jonsons prallem, vollsaftigem „Volpone“, der in der Bearbeitung durch Stefan Zweig zu einem Gustostückeri auch des deutschen Theaters wurde.

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„Biografie“, dieses faszinierende Spiel mit dem Konjunktiv, mit dem „Wie-es-gewesen-wäre-wenn“, schlug auch die Innsbrucker in den

Bann seines ungewöhnlichen Einfalls. Karl Goritschans Regie spürte sehr behutsam dem Wort nach und tat diesem in keiner Weise Gewalt an. Das war einerseits, vom Standpunkt der literarischen Verantwortung her, lobenswert, anderseits geschah dadurch auch nichts, die in einer gewissen Monotonie des ersten Teiles liegenden Schwächen des

Stückes von der Bühne her zu kompensieren. In Anlehnung an die Idee des Werkes könnte man Vermutungen anstellen, wie der Abend auch hätte anders verlaufen können, wenn.. Zum Beispiel, wenn Theo Frisch-Gerlachden Kürmann anders gekürt hätte, jünger, frischer, sensibler. weniger bieder. Immerhin hatte er Humor genug, gelegentlich das Zwerchfell der Zuschauer zu aktivieren. Sonja Höfers Antoinette besaß Charme, kühle Distanziertheit, die sich zu völliger Emanzipation entwickelte, ließ aber unter dieser auch Züge ganz weiblicher Verletzlichkeit ahnen, die sich nur dort, wo sie wahrhaft liebte, offenbaren würden. Sympathisch, mit einem Hauch von Ironie, verwaltete Hans Stöckl das Dossier des Registrators, ganz personifiziertes Über-Ich. Den drei profilierten Hauptfiguren gesellte sich ein Maxiangebot an Minirollen zu, gut verteilt auf Peter Mühlers sachlich-nüchterner Bühne, vorwiegend statisch gelenkt und insgesamt recht illustrativ. Die Atmosphäre erreichte gegen Schluß zunehmende Dichte, das Publikum war dankbar.

Turbulenz ohnegleichen beherrschte am Abend darauf die originelle Szenerie Karl Weingärtners, auf der sich in Susanne Thalersköstlichen Kostümen die Figurinen einer so frechen wie bösen Fabelwelt tummelten — der Welt Volpones, des listigen Fuchses, den Hubert Chau- doir nach echter Levantinerart schillern ließ. Ihm zur Seite der Schelm und Gaukler Mosca, vom Sprach- und Spielvirtuosen Helmut Wlasak in brillanter Manier gestal-

tet. Kurt Müller-Walden, Hans Stöckl und Norbert Scharnagl widerlegten als beutegieriges Raubvogeltrio alle Grundsätze, daß eine Krähe der anderen kein Auge aushacke, Werner Ruzicka gab einen wild-grimmigen Leone, den die blinde Justitia und ihre zweifelhaften Diener als einzig Gerechten an den Schandpfahl schickten. Die tolldreiste, freche Komödie hatte in Inge Brunner und Brigitte Schmuck die rechte Mischung an naiv-koketten weiblichen Reizen zu offerieren, die die ohnehin auf Siedegrade gebrachte Stimmung diesseits und jenseits der Rampe zusätzlich aufheizten. Die Palme des Abends gebührt dem Regisseur Karlheinz Köhn, der seine Mimenmenagerre mit einer Fülle munterster Ideen gedopt hatte, was sie mit ansteckender Spielläune und atemberaubendem Tempo veralten.

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