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Wellen und Menschenwürde

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Weniger munter, aber leider unermüdlich plätschert die sogenannte „Sex-Welle“ durch unsere Kinosäle. Der einfältige Glaube, daß das kinomüde gewordene Publikum von Filmen mit massiven Zweideutigkeiten bis geschmacklosen Zoten noch am ehesten zum Kauf einer Kinokarte verlockt werden und von dem immer mehr sich versteifenden Widerstand wieder abgebracht werden könnte, treibt seltsame Blüten. Der relative Kassenerfolg einzelner darauf spezialisierter Kinos mit seinen paar hundert unermüdlichen Stammkunden schürt die vage Hoffnung auf das langersehnte Geschäft. Wo immer man derlei Storys habhaft werden kann, packt man zu. Man gräbt zu diesem Behüte die ekandalumwit-terte Blondine der dreißiger Jahre aus und dreht „Die Welt der Jean Harlow“, präsentiert von der mühsam und erfolglos zum Sexstar hochgezüchteten Oarroll Baker. Aber die „Welt“ der Jean Harlow wurde reichlich retuschiert, mit Sentimentalitäten und Kitsch durchsetzt und im Gegensatz zu der dem Film zugrunde liegenden pornographischen Biographie auf „brav“ frisiert. Dadurch stimmen auch die kritischen Andeutungen über die trüben Hintergründe amerikanischer Filmpro-duktionen nicht mehr recht, und mit viel Ausstattung und viel Blond können die Oberflächlichkeiten und Verzeichnungen schwerlich wettgemacht werden. Aber man vertraut eben blind auf den Bluff mit Sex.

Änlich verfuhr auch Karl Spiehs, ehemals Stadthallen-Film-Produktionsleiter, der sich die deutschsprachigen „Spezialisten“ dieser Welle holte und einen Episodenfllm in Farben herstellen ließ. Namen wie Rolf Thiele und auch Alfred Weidenmann schienen ihm in Verein mit einer beachtlichen Schauspielerpro-minenz Gewähr genug für eine verlockende Fahrt mit dem „Liebes-karussell“. An Kosten wurde sicher nicht gespart, dafür aiber an Einfällen und Geschmack. Ein, zwei Schauspieler jeweils aus Europas interessanten Filmländern sollten den Markt für diesen Film sichern. Das träge gewordene Publikum soll von Anita Ekbergs fülligen Formen erdrückt werden. Diese Episode wurde an den Schluß gesetzt, um offenbar dem strapazierten Kinobesucher ein „Ende gut, alles gut“ zu entringen. Aber das Ende ist, wie der ganze Film, weniger gut, sondern ungustiös und ein Beweis mehr, daß auch beste Schauspieler Klamauk und Minderwertigkeit nicht veredeln können; Ein ungemein harter Streifen erreicht uns aus England.

„Hügel der verlorenen Männer“ (The hill) führt uns die schon pathologischen Quälereien in einem britischen Militärstraflager in Afrika vor Augen. Ein Strafvollzug wird zum Vernichtungslager menschlicher Würde schier unvorstellbaren Ausmaßes. Militär, noch dazu im Krieg, neigt zur Entartung jedweder Menschlichkeit. Gab es derlei Lager, sei der Film trotz mancher reißerhaften Effekte als Protestgeschrei akzeptiert; dient aber die Story nur als „Aufhänger“ für einen filmisch ausgespielten Sadismus, bleibt das Unternehmen fragwürdig.

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