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Verdis „Attila” in Graz
Vor fast genau hundertzwanzig Jahren wurde die Oper „Attila” von Giuseppe Verdi im Teatro La Fenice zu Venedig uraufgeführt. Zwei Jahre zuvor hatte Verdi mit dem „Nabucco” die Reihe seiner „Frei- heitsopem” begonnen, deren Stoff in einer mehr oder minder deutlichen Beziehung zum damaligen Kampf um die politische Einheit Italiens und gegen die Herrschaft Österreichs steht. Auch in „Attila”, dessen Stoff dem gleichnamigen Werk des deutschen Romantikers Zacharias Werner entnommen wurde, geht es um die Befreiung von fremden „Unterdrückern”: mit Hilfe des Papstes Leo wird Rom vor dem Ansturm der Barbaren gerettet, und in Odabella, der tapferen Aquilejanerin, ersteht Italien eine Judith, die den hunnischen Holofernes während des Hochzeitszuges tötet.
Nun, nach der ersten Aufführung des Werkes in deutscher Sprache, die kürzlich im Grazer Opernhaus stattgefunden hat, fragt man sich mit Recht, warum dieses frische, an Schönheiten der Partitur keineswegs arme Werk nördlich der Alpen überhaupt nicht bekannt geworden ist. Freilich steht Verdi in seinem „Attila” noch unter dem Einfluß Donizettis und Bellinis; noch sind die Werke der Reifezeit in weiter Entfernung. Aber dennoch deuten manche Stellen dieses „dramma lirico” bereits auf das spätere Schaffen des Meisters hin: der erste, entscheidende Sehritt zum musikalischen Charakterdrama scheint hier getan. Effektvolle ariose Passagen, besonders die Cavatine der Odabella im Prolog, die dramatische Charakterisierung in der Traumerzählung Attilas, eine mitreißende Sturmmusik, das knappe Orchestervorspiel an Stelle der üblichen Ouvertüre, ein prächtiges erstes Finale — das sind lauter Gründe dafür, in der Entdeckung des Werkes für die deutschsprachige Bühne nicht bloß eine musikhistorische Tat zu sehen, sondern von ihr ausgehend auch eine Repertoirebereicherung der nichtitalienischen Opernbühnen zu erwarten.
Für die musikalische Gestaltung der Grazer Aufführung zeichnete der junge italienische Gastdirigent Bruno Amaducci verantwortlich. Unter ihm spielte das Orchester mitreißend, gaben die Sänger lüstvoll ihr Bestes — die Italianitä der Musik hätte keinen besseren Interpreten finden können. Hervorragend die Australierin Althea Bridges in der technisch besonders schwierigen Partie der Odabella, desgleichen der tenorale „Star” der Grazer Oper — Josė M. Perez — als Foresto; überzeugend in Stimme und (fernöstlichem) Aussehen der Bassist Kunikazu Ohashi als Attila. Die szenische Gestaltung entsprach leider nicht der Qualität des musikalischen Anteils. Die Ensembleführung zeugte von geradezu grotesker Hilflosigkeit des Regisseurs (Ulf Thomson), der zwischen Realismus und Stilisierung unentschieden schwankte — die Bühnenbilder (R. E. Jahren) näherten sich zum Teil der Grottenbahnromantik.
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