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Den Künsten ihren Platz in der Medienlandschaft

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Begriffsunklarheiten überall: nicht nur „Kultur” wird zum Schwammbegriff, wenn es um deren Präsenz in Regionalisierung und Verkabelung (dies die Themen der Badener Arbeitskreise 2-3) geht - sogar die Regionalisierung scheint verschieden deutbar. Deutlichstes Anzeichen dafür: in den Berichten verschiedener Zeitungen wurde daraus „Rationalisierung” - was wohl der Regionalisierung eher diametral entgegensteht. Und beim „Kabelfemsehen”? Hier sollte richtiger vom „Breitbandkommunikationssystem” gesprochen werden, verlangen Spezialisten. Sicherlich mit wenig Chancen, sich durchzusetzen.

Und wie nun in d iesen beiden nicht ausdefinierten Bereichen die Kultur präsent sein sollte, darüber wurde mit viel „Muß” und „Soll” gesprochen - ohne daß heute bereits klar ist, wer da „müssen” und „sollen” wird - eher öffentliche Stellen? Eher kommerzielle Firmen? Vorbilder in den USA, viel zitiert, können nicht ohne weiteres übertragen werden; denn hierzulande wird die Auseinandersetzung durch das Neben- und möglicherweise Miteinander von staatlichem Rundfunk einerseits, privaten, gemischten, kommerziellen oder wie immer geleiteten Gesellschaften anderseits geprägt, in Amerika jedoch existiert kein Rundfunkmonopol.

Kultur hat allerdings auch in Amerika Sponsoren nötig: so unterhält etwa New York ein städtisch betriebenes kulturelles Programm; wer es via Kabel ins Haus geliefert haben möchte, berappt dafür monatlich 20 Dollar. Gund zum Optimismus für Kulturfans? Ja, was das Interesse betrifft; nein, was mögliche Eigenfinanzierung betrifft. Kultur kommt teuer, wenn man sich nicht auf die Wiedergabe von Blasmusik und Amateurkonzerten beschränkt; und wer sich für ein breites Kulturangebot im Kabel- oder Regionalfernsehen einsetzt, der muß gleichzeitig nach dem Mäzen mit dem dicken Portemonnaie Ausschau halten.

Dieses Thema war nicht die Aufgabe des Badener Kulturgesprächs; man war sich allseits über die Notwendigkeit solcher Sendungen einig, und man versuchte, das Kulturschiff zwischen der Scylla der Elite-Kultur und der Charybdis von „Kultur ins Volk” mutig hindurchzusteuem. Die Patentlösung klingt einfach: „Eßkultur”, „Wohnkultur” (vertreten durch namhafte Architekten), Amateurkunst soll ebenso Platz finden wie die elitären, bereits vorgebildeten Hörern und Sehern vorbehaltenen anspruchsvollen Produktionen.

Für die ersteren gibt es starke ideologische Fürsprecher; niemand wird ernstlich die „kulturelle Alphabetisierung” (so Vintila Ivanceanu-Beschte- ley) für sinnlos halten; wer aber bildet die Lobby für die anderen, die Künstler, die Avantgarde, die noch nicht Etablierten — jene also, die für Übermorgen den Stoff zur Alphabetisierung liefern? Dies ist eigentlich das Hauptproblem; es wird allerdings dadurch meist verwischt, daß allgemein von „Kultur” gesprochen wird, und jeder sich darunter sein Teil denkt - die eigentlichen Konflikte werden durch •die gemeinsame Sprachregelung überdeckt.

Der aus London angereiste Hauptreferent Humphrey Burton hatte es da leichter: was in der deutschen Übersetzung als „Kultur” durch seine Sätze geisterte, das war im Original „the arts”. In diesem Sinn verstanden, nämlich den Künsten ihren Platz in der Medienlandschäft zu verschaffen, sollte man die Bemühungen um Kultur in Regional- und Kabel-TV voll unterstützten; dann werden die Kanäle nicht ausschließlich den Erwachsenenbildnern überantwortet, sondern im besten Sinn des Wortes zur Spielwiese des Vergnügens.

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