6819057-1973_24_13.jpg
Digital In Arbeit

Die neuen Eliten

Werbung
Werbung
Werbung

Die „Neue Linke“ als gesellschaftspolitisches Phänomen hat seit 1968 viel an Schwung verloren; der Beweis hiefür ist nicht allzu schwer anzutreten. Aber was bleibt von ihrem geistigen, ideologischen Einfluß auf die Intellektuellen in aller Welt, was blieb vom Sturm in den Pariser Straßen, auf dem Gelände der Freien Universität Berlin und in Berkeley?

Thomas Molnär, Altösterreicher von Geburt, seit Jahrzehnten aber in den USA, ist Professor in New York und einer der wohl seltenen Autoren, die nicht nur an der Oberfläche haften bleiben, wenn es um die Kritik der neu- (und alt-) linken Phänomenologie geht; er konfrontiert den Leser auf mehr als 100 Seiten mit der eigentlichen Wurzel der Linken und denkt ihre Gedanken fertig: und er attestiert, daß die utopische Linke im Grunde antigesellschaftlich ist.

Während sie unter der Worthülse Demokratie neue Eliten als „Träger des Lichtes und Garanten des Fortschrittes“ schafft, verletzt sie gleichzeitig die conditio humana — das Grundgesetz jeder wirklich demo-katischen Gesellschaft: „In Wirklichkeit handelt es sich weder um Licht noch um Fortschritt, sondern um eine immer neu entstehende Hoffnung, in einer Gruppe von Menschen den archimedischen Punkt zu finden,

von dem aus sich für die Menschheit die Bahnen der Gestirne ändern lassen.“

Bei Saint-Simon sind es die Gelehrten und die Industriellen, bei Auguste Comte die Frauen und die Werktätigen, bei Karl Marx das Proletariat, bei Sartre die kolonisierten Völker, bei Marcuse die Studenten, bei Mao die Mittelschüler der großen Kulturrevolution. Was aber geschieht mit diesen auserwählten, elitären Gruppen?

„Sie paradieren genauso lange auf der Szene der Pseudogeschichte, wie sie brauchten, um verbürgerlicht und wieder entfremdet zu werden. Dennoch entsteht jedes Mal aufs Neue die Hoffnung, daß das Bestehende auf immer der Bewegung, dem Entwurf weicht.“

Thomas Molnär bietet eine bril-fante öarsteilung als Dem'askierung. Und selbst dann, wenn man ihm nicht bei allen Schlüssen folgen kann und will,, handelt es sich hier um eine der wohl besten Auseinandersetzungen mit der Linken als gesellschaftspolitisches Phänomen.

DIE LINKE BEIM WORT GENOMMEN. Von Thomas Molndr. Ernst-Klett-Verlag, Stuttgart, 124 Seiten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung