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Digital In Arbeit

Gutes Betriebsklima nicht erwünscht?

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Der Entwurf eines Entgeltsicherungsgesetzes, der vom Sozialministerium zur Begutachtung ausgesandt worden ist, verfolgt nach den Erläuternden Bemerkungen zwei Ziele: bedeutende sozialpolitische Verbesserungen, insbesondere in Richtung einer weiteren Angleichung der Rechtsstellung der Arbeiter an die der Angestellten, sowie einen weiteren Schritt in Richtung der Kodifikation des Arbeitsrechtes.

Was zunächst das Anliegen der Kodifikation des Arbeitsrechtes anlangt, zeigt gerade dieser Entwurf mit aller Deutlichkeit die Problematik einer Kodifikation in Teilen. Das Sozialministerium und die Gewerkschaften haben sich zum Weg der Teilkodifikation bekannt, weil sie mit der Kodifikation weitgehende materiellrechtliche Verbesserungen des Arbeitsrechtes zugunsten der Arbeitnehmer herbeiführen wollen und dies in einem Zug nicht möglich erscheint.

- Ganz abgesehen davon, daß die Gewerkschaften wohl nie mit einem einmal erreichten Standard im Arbeitsrecht zufrieden sein werden, kann die Teilkodifikation eines der wesentlichsten Anliegen einer Kodifikation, nämlich das Arbeitsrecht überschaubar zu machen und damit die Rechtsanwendung und -durch-setzung zu erleichtern, niemals erfüllen.

Ganz im Gegenteil führt der Weg der Teilkodifikation sogar zu einer Vermehrung der Rechtsvorschriften und zu einer noch größeren Unübersichtlichkeit, weil die alten Bestimmungen zum Teil gar nicht aufgehoben werden, sondern neben dem neuen Recht weiterbestehen.

Ist schon der Vorwurf, daß durch

dieses neue Gesetz die Rechtseinheitlichkeit und Ubersichlichkeit leiden müßte schwer genug, zeigt der Entwurf darüber hinaus die Absicht, in das in der Regel gute Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer systematisch Spaltungstendenzen hineinzutragen. Wie anders wäre es etwa zu erklären, daß der Arbeitgeber künftighin selbst eine unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs erbrachte freiwillige Leistung nur noch nach billigem Ermessen (d. h. praktisch fast überhaupt nicht mehr) widerrufen dürfte. Damit müßte sich jeder Arbeitgeber in Zukunft sehr gründlich überlegen, ob er überhaupt noch eine freiwillige Leistung erbringt.

Warum soll etwa auch die Verpflichtung zur Arbeitsleistung gegen einen in Aussicht gestellten Vorteil (etwa gegen die Zusage einer späteren Betriebsübergabe) generell rechtsunwirksam sein? Also selbst dann, wenn es im Interesse des Arbeitnehmers liegt?

Ganz besondere Bedeutung kommt dem Abschnitt über die Neuregelung der Schadenshaftung der Arbeitnehmer zu. Während derzeit der Arbeitnehmer auch für leichte Fahrlässigkeit haftet - wobei allerdings bei diesem Verschuldensgrad ein richterliches Mäßigungsrecht vorgesehen ist - will der Entwurf jegliche Haftung bei leichter Fahrlässigkeit beseitigen. Bei grob fahrlässiger Schadenszufügung soll das Gericht im Einzelfall die Ersatzpflicht des Arbeitnehmers mäßigen oder sogar zur Gänze erlassen können. Volle Haftung des Arbeitnehmers soll es daher nur noch bei vorsätzlich herbeigeführtem Schaden geben.

Hier ist man entschieden zu weit gegangen. Die Haftung für leichte Fahrlässigkeit zu beseitigen und bei grober Fahrlässigkeit zu mildern oder ebenfalls zu beseitigen, heißt nämlich, dem Arbeitnehmer den Anreiz zu einer gewissenhaften Arbeit zu nehmen. Sollte etwa hinter diesem Vorschlag auch die Forderung nach mehr Chancengleichheit stehen, daß nämlich der Schlampige nicht schlechter behandelt werden soll als der Aufmerksame?

Geradezu rückschrittlich wird aber der Entwurf, wenn er einen der wesentlichsten sozialen Fortschritte des 19. Jahrhunderts, nämlich die Ablösung der Haftpflicht der Arbeitgeber durch die Einführung der Unfallversicherung, teilweise wieder rückgängig machen will. Der Arbeitgeber soll nämlich bei Arbeitsunfällen in Zukunft nur insoweit von der Haftung befreit sein, als die Unfallversicherung für den Schaden Ersatz leistet.

Man muß dabei bedenken, daß die Leistungen der Unfallversicherung den Verletzten insgesamt günstiger stellen, als dies nach den zivilrechtlichen Haftungsbestimmungen der Fall wäre, und der Arbeitgeber allein den Beitrag zur Unfallversicherung entrichtet. Die Ablöse der Haftpflicht des Arbeitgebers wurde nicht zuletzt im Interesse des Arbeitnehmers vorgenommen, weil diesem dadurch das Prozeßrisiko abgenommen worden ist.

Auch ein nur teilweises Wiederaufleben der Haftpflicht des Arbeitgebers müßte durch die dann wiederum zu führenden Prozesse das Betriebsklima schwerstens belasten. War dies beabsichtigt?

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