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Digital In Arbeit

Das Vertrauen ist gut geschützt

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Die Frage, ob der Widerruf von Betriebspensionszusagen zulässig ist, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen er wahrgenom-men werden darf, ist rechtspolitisch gesehen sehr wichtig.

Da Betriebspensionszusagen langfristige Zusagen sind, die Lei-stungen oft erst nach Jahrzehnten fällig werden und häufig auch jahr-zehntelang zu erbringen sind, wird zum Zeitpunkt der Zusage zumeist gar nicht absehbar sein, welche Umstände bei Eintritt der Lei-stungspflicht vorliegen werden. Es liegt daher im Interesse des Zusa-genden, in die Pensionsordnung sogenannte Widerrufsklauseln auf-zunehmen. Je nach Ausgestaltung ermächtigen diese den Arbeitgeber, die Zusage entweder jederzeit und ohne Angabe von Gründen oder aber bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zu widerrufen. Damit wird das Risiko einer Ver-schlechterung der Rahmendaten letztlich auf die Zusageempfänger abgewälzt: Diese müssen jederzeit um ihre Anwartschaften und ihre Ansprüche fürchten. Sie wollen aber gerade nicht mit dieser Unsicherheit leben. Im Gegenteil: Es hegt in ihrem Interesse, daß die Pensionszusagen Bestand haben, da sie im Hinblick auf die zugesagten Leistungen häufig weitreichende Entscheidungen und Vermögens-dispositionen treffen müssen.

Widerrufsklauseln bewegen sich also im Spannungsfeld zwischen den Erfordernissen einer flexiblen Unternehmensführung und der Notwendigkeit eines intensiven Vertrauensschutzes der betroffenen Arbeitnehmer.

Das österreichische Recht hat bis zum Inkrafttreten der neuen Ge-setze zum Betriebspensionsrecht (Betriebspensionsgesetz vom 17. Mai 1990.BGBI 1990/281;Pensions-kassengesetz vom 17. Mai 1990, BGBl 1990/281) die Zulässigkeit von Widerrufsklauseln nicht beschränkt. Die Judikatur hat aber in den wichtigen Erkenntnissen zu den VOEST-Statutarpensionen ausge-sprochen, daß der Arbeitgeber auf-grund der Fürsorgepflicht auch bei nicht näher spezifizierter Wider-rufsklausel nicht einfach willkürlich widerrufen darf, sondern dies nur unter weitestgehender Berück-sichtigung der berechtigten Belange der Arbeitnehmer, das heißt nur nach billigem Ermessen tun kann. Die Statuierung einer grundlosen Widerrufsklausel war daher bereits nach früherem österreichischen Recht kein Freibrief für willkürliche Widerrufserklärungen.

Die Judikatur hatte aber auch zu klären, ob der Arbeitgeber, der eine Betriebspension ohne Widerrufs-vorbehalt zusagt, im Falle einer Notlage diese widerrufen darf. Sie hat ausgesprochen, daß diesfalls ein Widerruf selbst bei schwerster wirtschaftlicher Krise nicht möglich ist, da der Arbeitgeber aufgrund der ohne Vorbehalt gewährten Leistungszusage an diese gebunden ist. Es gilt insoweit der allgemeine zivilrechtliche Grundsatz: pacta sunt servanda. In der Rechtslehre freilich hat es Stimmen gegeben, wonach bei unvorhersehbaren Notlagen dem Arbeitgeber ein beschränktes Widerrufsrecht zustehen sollte.

Wie sieht nun die Rechtslage aufgrund der neuen, am 1. Juli 1990 in Kraft getretenen Gesetze zum Betriebspensionsrecht konkret aus?

Aufgrund des Betriebspensions-gesetzes kann der Arbeitgeber die Zusage, eine Betriebspension selbst zu gewähren, mit einer weitgehen-den Widerrufsklausel versehen. Die Ausübung des entsprechenden Widerrufsrechts ist dann keinen spezifischen Schranken unterwor-fen. Es gilt lediglich der von der Judikatur aufgestellte Grundsatz, daß sich der Widerrufende an dem Maßstab des billigen Ermessens zu orientieren hat. Der Arbeitgeber wird allerdings kein großes Inter-esse haben, solche Zusagen zu gewähren, weil für Zusagen, die jederzeit widerruflich sind, keine Rückstellungen nach Steuerrecht gebildet werden können. Bezüglich sonstiger Betriebspensionszusagen jedoch sieht das Betriebspensions-gesetz für den Widerruf enge Gren-zen vor:

Sagt der Arbeitgeber eine Be-triebspension zu, die er selbst er-bringen wird, dann gelten folgende Grundsätze: Ein Widerruf ist nur zulässig, wenn eine entsprechende schriftliche Widerrufsklausel im Zusagevertrag oder in der Betriebs-vereinbarung (beziehungsweise im Kollektivvertrag) enthalten ist, die (der) die unmittelbare Pensionszu-sage vorsieht.

Darüber hinaus ist der Widerruf an das Vorliegen einer gravieren-den wirtschaftlichen Notlage des Unternehmens gebunden. Das Gesetz sagt nämlich, daß der Wi-derruf nur dann möglich ist, wenn sich die wirtschaftliche Lage des Unternehmens nachhaltig so we-sentlich verschlechtert, daß die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistung eine Gefährdung des Weiterbestandes des Unternehmens zur Folge hätte. Schließlich muß der Arbeitgeber, der widerrufen will, den Betriebsrat mindestens drei Monate vor dem Widerruf darüber informieren und mit ihm darüber eine Beratung führen.

Grundsätzlich darf sich der Wi-derruf nur auf den Erwerb künftiger Anwartschaften beziehen. Das heißt, daß die Anwartschaften, die bereits erdient wurden, nicht widerrufen werden dürfen. Diesem wichtigen Grundsatz ist zu entnehmen, daß der Gesetzgeber erdiente Anwartschaften wie bereits ver-dientes Entgelt behandelt. Nur dann, wenn seit Erteilung der Lei-stungszusage fünf Jahre oder eine im Zusagevertrag vorgesehene län-gere Wartezeit, die jedoch zehn Jahre nicht überschreiten darf, noch nicht vergangen sind, kann sich der Widerruf auch auf die bis dahin erworbenen Anwartschaften bezie-hen. Hat der Arbeitgeber den Er-werb künftiger Anwartschaften eingestellt, so hat der Arbeitnehmer bei Eintritt des Leistungsfalles einen Anspruch, der in etwa dem nach versicherungsmathematischen Grundsätzen berechneten Barwert der bis zum Widerrufs-' Zeitpunkt erdienten Anwartschaften entspricht.

Liegen weniger gravierende Umstände vor (der Gesetzgeber spricht von zwingenden wirtschaft-lichen Gründen), kann der Arbeit-geber den Erwerb künftiger An-wartschaften zumindest für eine bestimmte Zeit aussetzen oder ein-schränken. Doch auch hiefür muß eine entsprechende schriftliche Rechtsgrundlage vorliegen und der Betriebsrat drei Monate vorher zu einer Beratimg hinzugezogen wer-den.

Ein Totalwiderruf bereits laufen-der Pensionszahlungen ist hingegen vom Gesetz ausgeschlossen. Dieses erlaubt lediglich das vor-übergehende Aussetzen oder Ein-schränken dieser Leistungen bei Vorliegen zwingender wirtschaft-licher Gründe und einer entspre-chenden schriftlichen Vereinbarung. Setzt der Arbeitgeber laufende Pensionsleistungen aus, so muß er den Erwerb künftiger Anwart-schaften der (noch) Aktiven ebenr falls aussetzen oder einschränken. Dieser Grundsatz entspricht dem Gleichbehandlungsgebot: Die Last der Kürzung soll nicht allein die Pensionisten treffen. Hinzuzufügen ist, daß die Aussetzung oder Ein-schränkung laufender Pensionslei-stungen jedenfalls insoweit unzu-lässig ist, als die Leistungen selbst durch Wertpapiere gedeckt sind.

Ähnliche Grundsätze gelten für die Einstellung, für das Aussetzen oder für die Einschränkung der Beitragsleistung des Arbeitgebers an eine Pensionskasse. Der (teil-weise) Widerruf dieser Beitragslei-stung setzt nämlich das Vorliegen einer entsprechenden Klausel in der Betriebsvereinbarung oder im Ver-tragsmuster, welche/welcher den Beitritt zur Pensionskasse regelt, voraus. Überdies ist der Widerruf nur zulässig, wenn sich die wirt-schaftliche Lage des Unternehmens nachhaltig so wesentlich ver-^ schlechtert, daß die Aufrechterhal-tung der zugesagten Leistung eine Gefährdung des Weiterbestandes des Unternehmens zur Folge hätte und wenn der Betriebsrat minde-stens drei Monate vor dem Einstel-len der Beitragsleistung zu einer Beratung hinzugezogen worden ist.

Im Widerrufsfall bleiben dem Arbeitnehmer alle bisher erworbe-nen Anwartschaften erhalten. Die Ausnahmeregelung, daß der Wider-ruf dann, wenn seit der Leistungs-zusage noch nicht fünf Jahre abge-laufen sind, auch die erworbenen Anwartschaften erfassen kann, gilt für die Pensionskassenzusagen nicht.

Eine vorübergehende Aussetzung oder Einschränkimg der laufenden Beitragsleistungen ist unter den selben Voraussetzungen wie eine Aussetzung oder Einschränkung des Erwerbs künftiger Anwartschaften bei unmittelbaren Pensionszusagen zulässig. Dagegen ist eine Aussetzung oder eine Einschränkung bereits laufender Pensionsleistungen einer Pensionskasse nicht möglich.

Die Pensionisten sind daher in diesem Fall stärker geschützt als im Falle einer direkten Leistungszusage. Damit wird deutlich, daß der Gesetzgeber das Pensionskas-senmodell als ein vor zukünftigen Verschlechterungen besonders ge-schütztes Pensionsmodell ausge-stalten wollte.

Die Widerrufsregelungen im Betriebspensionsgesetz sind zu begrüßen: Sie schaffen Klarheit, Rechtssicherheit und vor allem einen größeren Schutz des Vertrauens der Zusageempfänger auf die zukünftige Leistungserbringung.

Der Autor ist Vorstand des Instituts für Ar-beits- und Sozialrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien.

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