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Sprachmoral

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Die deutsche Sprache gilt allgemein als schwierig. Man- che finden sie schön, nicht so schön wie Französisch, aber immerhin. Reichhaltig und vielfältig ist sie sicherlich, wenn man alle Regionalsprachen und Nebendialekte zuläßt. Aber alles kann auf Deutsch eben doch nicht so präzise ausge- drückt werden wie in anderen Sprachen, und deswegen be- hilft man sich zuweilen mit Anleihen im nachbarlichen Sprachgut, zum Beispiel im österreichischen. Das traditio- nelle Wiener„eh"wurde eben- so übernommen wie das Tiro- ler „auffi". Auch der „ Schmäh " ist längst österreichisches Lehnwort im Deutschen, wenn- gleich er das Schicksal vieler Emigranten teilen muß: Er wird nicht recht verstanden.

Aber trotz aller anglophilen oder francophonen Anreiche- rungen in Deutschland-Nord & West und trotz aller russoiden Einsprengsel in Deutschland- Mitte & Ost, alles kann auf Deutsch immer noch nicht recht ausgedrückt werden.

So geraten bei den entspre-r chenden und unvermeidlichen gesellschaftlichen Anlässen die „neuen" Ehepaare, die unver- heirateten also, immer wieder in Sprachschwierigkeiten. Wie sollen sie ihre Partnerinnen vorstellen, wenn sie daneben stehen, wie von ihnen erzäh- len, wenn sie nicht da sind.

Da wird dann gestammelt und gestottert, in die dritte Person ausgewichen oder völ- lig personenlos berichtet.

Es ist ja auch schwierig. Soll man den männlichen Menschen an seiner Seite, mit dem man seit Jahren Bankkonto und Badezimmer teilt, als Bekann- ten, als Freund gar vorstellen, nur weil zu einer durch und durch gewöhnlichen Ehe der standesamtliche Stempel fehlt?

Hilft es, wenn die Überset- zung des sperrigen Wortes ins Späthochdeutsche verwendet wird, man also von der „Part- nerin" oder vom „Partner" spricht?

In fortschrittlichen Kreisen behelfen sich Frau und Mann gelegentlich mit den Vornamen. So ist dann von den Ausflügen mit Helga und den Erlebnissen mit Kurt die Rede. Das hat nur den Nachteil, daß die Ge- sprächspartnerinnen dann natürlich nicht wissen, ob es sich dabei um eine brav eheli- che Unternehmung gehandelt hat oder um eine zwar nicht so brave, aber dafür möglicher- weise um so spannendere au- ßereheliche.

Eine geniale Lösung bietet der deutsche Sportjournalis- mus an, der sich im allgemei- nen nicht als Hüter deutschen Sprachgutes auszeichnet.

Wenn er - zum Beispiel zur erforderlichen Stabilisierung seiner mentalen Disposition (!) -ständig von einem weiblichen Wesen begleitet wird, dann ist dies eben - seine „Verlobte"! Das ist zwar vielleicht gar nicht der Fall, aber schön ist es doch!

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