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Wir trafen uns in der Wohnung eines Freundes, wenige Tage, nachdem die Enzyklika "Humane vitae" mit Datum vom 25.Juli 1968 veröffentlicht worden war: eine Gruppe junger Eltern, die das Konzil miterlebt hatten. Die Expertenkommission des Papstes hatte mit satter Mehrheit (64:4) vorgeschlagen, die Empfängnisregelung den Eheleuten zu überlassen. Die unterlegene Minderheit, darunter Karol Wojtyla, übergab dem Papst eine Gegendarstellung. Ihr folgte Paul VI., weil er den Mut nicht aufbrachte, aus der Sackgasse der traditionellen klerikalen Eheauffassung auszubrechen.

Wir schrieben einen Brief an unseren Bischof, Kardinal König: Wir stellten klar, dass wir unsere Entscheidung in Sachen Empfängnisregelung längst getroffen hätten und keinen Anlass sähen, sie auf Grund der neuen Enzyklika zu ändern. Erst allmählich stellte sich heraus, dass mit dieser Enzyklika die im Konzil gewachsene Autorität der römischen Kirche ihren Niedergang angetreten hatte. Heute, eine Generation später, begreifen unsere Kinder nicht mehr, welchen Aufwand an Argumenten und Emotionen uns dieses Thema abverlangt hat. Sie kommen nicht im Entferntesten auf die Idee, einen Papst um seine Meinung zum intimen Umgang von Mann und Frau zu fragen.

Der Anfang vom Niedergang ist die Unfähigkeit zur Umkehr. Das ganze Gewicht einer fehlgeleiteten Tradition hat zurückgeschlagen. So ist es bis heute, ungeachtet des immer größeren Schismas zwischen dem Leben der Christen und den Vorhaltungen der Hierarchie. Vier Wochen nach unserem Brief an den Wiener Kardinal marschierten die Russen in Prag ein. Derselbe August setzte dem Frühling des Konzils und dem Prager Frühling ein Ende. "Das Imperium schlägt zurück" und versetzt sich damit selbst den entscheidenden Rückschlag: Moskau blieb noch zwanzig Jahre an der Macht; Rom hat nur noch nicht eingesehen, dass Machtlosigkeit seine Zukunft ist.

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