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Entlastung der Zahlungsbilanz

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Wer sich der Zahlungsbilanzposition Großbritanniens zuwendet, wird die Sinnlosigkeit der Vorwürfe, die Operation sei eine Bankrotterklärung, einsehen. Großbritannien verfügt derzeit (siehe Übersicht 1) über Währungsreserven von etwa 8,6 Milliarden Dollar, wenn man zu den Gold- und Devisenreserven in der Höhe von 2,73 Milliarden Dollar die verschiedenen sofort verfügbaren Kreditlinien aus dem SwaD-Abkommen mit den USA, dem Währungs Stützungskredit der Zehner-Gruppe sowie dem Beistandskredit des Internationalen Währungsfonds hinzuzählt. Diesem Betrag stehen kurz-

und mittelfristige Verpflichtungen in der Höhe von rund 3,2 Milliarden Dollar gegenüber; diese Summe vermehrt sich noch um 2,5 Milliarden Dollar, die in letzter Zeit als Aufwand für die Kursstützung des Pfund Sterlings aufliefen.

Großbritannien kann man daher keineswegs als insolvent bezeichnen. Auch das erwartete Zahlungsbilanzdefizit für das laufende Jahr in der Höhe von 200 Millionen Pfund Sterling ändert an diesem Urteil nichts. Aber die Abwertung wird in den nächsten Monaten die Zahlungsbilanz des Landes fühlbar entspannen. Nach Schätzungen des Schatz-

amtes hätte ohne Abwertung die sogenannte Grundbilanz, die die Zahlungsströme ohne Berücksichtigung des kurzfristigen Kapitalverkehrs gegenüberstellt, im Jahr 1968 mit einem Defizit von rund 200 Millionen Pfund Sterling geschlossen. Die höheren Transportkosten wegen des Ausfalles des Suezkanals hätten etwa 150 Millionen Pfund Sterling betragen; der unmittelbare Abwertungseffekt wird voraussichtlich mindestens mit 400 Millionen Pfund Sterling zu Buche schlagen. Berücksichtigt man noch die im nächsten Jahre fälligen Tilgungsraten für verschiedene Darlehen, ergibt sich eine wahrscheinliche Abnahme der Währungsreserven um 88 Millionen Pfund Sterling. Für die Jahre 1969 bis 1972 ergäbe sich ein jährlicher Zahlungbilanzüberschuß von rund 24 Millionen Pfund Sterling.

Unter der Bedingung, daß ...

Wie aus der Übersicht 2 ersichtlich ist, hätte die Zahlungsbilanz ohne Abwertung bis 1972 jeweils mit einem beträchtlichen Defizit abgeschlossen, das nur durch eine scharfe

Deflationspolitik zu mildern gewesen wäre. Die Abwertung hat somit ein grundsätzliches Ungleichgewicht in der Zahlungsbilanz korrigieren geholfen, nicht mehr und nicht weniger.

Diese Milchmädchenrechnung geht freilich nur auf, wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind. Der durch die Abwertung gewonnene Spielraum darf nicht für einen Konsumboom vergeudet werden, der zwar ohne Zweifel die Ergebnisse der Nachwah-

len zum Parlament nachhaltig beeinflussen, aber ebenso unbestritten wieder zu einer Wiederholung der Pfundkrisen führen würde. Damit verbunden ist zwangsläufig die Forderung nach einer Mäßigung des Lohnauftriebes. Ob diese Bedingung für eine nachhaltige Korrektur der Zahlungsbilanz zu erfüllen sein wird,

bildet überhaupt das große Fragezeichen. Denn gegenwärtig haben 6,5 Millionen Beschäftigte Lohnforderungen angemeldet, die zwischen fünf Prozent und 17 Prozent schwanken; die Krankenschwestern und Hebammen wollen sogar um 20 bis 50 Prozent mehr Lohn. Unter den Lohnforderungen ist auch jene der 3,2 Millionen Arbeiter der metallverarbeitenden Industrie (Maschinen, Elektro- und Eisenwarenindustrie) enthalten, denen hierzulande die Rolle des „Preisführers“ zukommt: Die ihnen gewährte Lohnerhöhung wird das Ausmaß der gesamten Lohnwelle bestimmen.

Damit sind die wichtigsten möglichen mittelfristigen Auswirkungen der Pfundabwertung für die britische Gesamtwirtschaft umrissen. Diesen Sachverhalt formulierte Professor Alan Day im „Observer“ hart: „Die Abwertung des Pfund Sterlings bietet der britischen Wirtschaft eine großartige Gelegenheit. Falls sie nicht entsprechend genützt wird, sind die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Aussichten in Großbritannien düster.“ Dann setzt Alan Day fort, daß kein Grund vorhanden ist, warum die Chancen nicht genützt werden sollten, vorausgesetzt „die Regierung steuert den richtigen Kurs und läßt sich die Entwicklung nicht entgleiten“.

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