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Die Abwertungskrise

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Israel befindet sich zur Zeit in einer Phase der Wirtschaftsdrosselung, die nach Ansicht von Pessimisten zu einer schweren Inflation, zur Geldentwertung und zu einer allgemeinen Wirtschaftskrise führen muß. Finanzminister Rabinowitsch, Optimist von Berufs wegen, ist hingegen der Ansicht, daß es sich hier nur um eine Übergangsphase handelt und daß nach Beruhigung der politischen Lage auch eine Wirtschaftskonsolidierung eintreten wird.

Kürzlich tagten Finanzminister Rabinowitsch und Handelsminister Bar-Lev, um gemeinsam mit ihren Stäben über die Einfrierung von öffentlichen Bauvorhaben auf ein Jahr zu beschließen. Die beiden Minister einigten sich auf den Versuch, eine weitere Milliarde israelischer Pfund, das sind 10 Prozent des Regierungs budgets, in den verschiedenen Ministerien einzusparen. Im Durchschnitt soll jedes Ministerium auf hundert Mülionen Pfund verzichten. Insbesondere wird hiedurch das Entwicklungsbudget aller Ministerien in Mitleidenschaft gezogen werden. Geplante Neubauten und Straßenbauten werden, vorerst für ein Jahr, verschoben.

Um weitere Gelder abzuschöpfen will der Staat Anleihen in Form von Obligationen auf den Börsenmarkt bringen, da diese Art von Anleihen dank ihres hohen Zinsenertrags schon früher Erfolg hatte.

Die Banken haben in den letzten zwei Monaten über 200 Millionen Pfund mehr an Anleihen ausgezahlt, da tausende Israelis sich beeilt hatten, Flugkarten au kaufen, aus Angst, daß eine bevorstehende Inflation diese verteuern würde. Das sich im Umlauf befindende Geld ist in den letzten zwei Monaten um weitere 12 Prozent gestiegen.

Die Krise auf dem Weltmarkt ist selbstverständlich auch in Israel zu verspüren. So mußte die Textilindustrie bereits einen Teil ihrer Arbeiter (zumeist die ungelernten) kündigen, die Möbel-, die Gummi- und die Bauindustrie ihre Produktion wesentlich einschränken.

Diese Situation bringt jedoch die israelische Regierung nicht dazu, sich bei den Kriegsrüstungen irgendwelche Zügel anzulegen. Das Kriegsmaterial, das während des letzten Jahres im Ausland gekauft wurde, wird auf 2.5 Müliarden US-Dollar geschätzt. Die Aufträge an die israelische Wirtschaft belaufen sich fast auf 1 Milliarde Dollar. Im Jahre 1975 sollen weitere 2.5 Müliarden Dollar für Israels Sicherheit ausgegeben werden. Man befürchtet, daß Israel in den nächsten zwei Jahren ein Defizit von je einer Milliarde Dollar aufzuweisen haben wird.

Sollten wirklich, wie erwartet, im nächsten Jahr 60.000 Neueinwanderer nach Israel kommen, so braucht man weitere hunderte Millionen von Dollar, um diese zu absorbieren und ihnen Arbeitsplätze zu beschaffen. Jede dreiköpfige Familie kostet ungefähr 50.000 Dollar, bis sie eingegliedert ist. Bisher konnte sich Israel, außer durch Steuern (den höchsten in der ganzen Welt), diese Summe durch die Spenden der Juden im Ausland, durch Export (der in diesem Jahr nicht gestiegen 1st), durch Wiedergutmachungsgelder aus der BRD und Ausländsanleihen beschaffen. Doch zur Zeit sieht es auch in dieser Hinsicht nicht rosig aus. Der frühere Finanzminister Sapir und der derzeitige Finanzminister Rabinowitsch verbringen einen Großteil ihrer Zeit im Ausland, denn man fürchtet, daß die Wirtschaftslage in der Welt auch den Spendenstrom drosseln könnte und daß die Bedingungen für Ausländsanleihen immer schwieriger werden.

Die Israelis werden in den nächsten Jahren wieder einmal ihren Gürtel enger schnallen müssen, doch vorläufig ist im Lande von Sparen noch keine Rede. Man ist nur vorsichtiger beim Geldausgeben geworden.

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