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Sudafrika: Kulturkrieg in der Schule?

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Kimberley, im Februar

Vor kurzem fiel auf einer Versammlung in Durban das Wort: „Wenn ein Staat beginnt, bis zum Unsinn neue Pläne zu schmieden, dann fällt er auch ins Schulgebiet ein. Der Redner deutete damit auf den Schulkampf, der jetzt in Südafrika ausgetragen wird. Bislang besaß die Südafrikanische Union eines der freiesten Schulsysteme der Welt, das auch die Missionsschulen in Kenntnis ihrer Leistungen großzügig förderte. Nun soll das ganze Schulwesen verstaatlicht werden und damit die Laisierung der Schulen erfolgen.

In dem jetzigen Schulsystem stehen an erster Stelle die Schulen für die weißen Kinder mit pflichtmäßigem Schulbesuch vom 6. bis 16. Lebensjahr. In diesem Sektor stehen neben den staatlichen Schulen Privatschulen für beide Geschlechter, aufsteigend bis zur Reifeprüfung, sie erhalten nur in Ausnahmefällen staatliche LInterstiitzung. Dank des Wirkens der Lehrgenossenschaften besitzt die katholische Mission auf diesem Gebiet mit 196 Schulen und 43.214 Schülern eine gute Stellung. Sie steht mit ihren Leistungen an der Spitze.

Neben diesen Volksschulen für „weiße Kinder“ werden Schulen für Mischlinge und Asiaten, zumeist Inder, die unter dem Begriff Coloureds, Farbige, zusammengefaßt werden, geführt. Für sie ist der Schulbesuch frei, sie genießen aber seitens des Staates eine reichliche Unterstützung. Mit ihren 149 Schulen und 26.226 Schülern besitzt in dieser Schulgattung die katholische Mission nicht die gleich günstigen Erfolge wie in den Schulen der Europäer. Diese beiden Schularten sind bis jetzt noch nicht von dem Schulkampf betroffen.

Es geht vielmehr um die B a n t u s c h u 1 e n, d. h. um die Schulen für Negerkinder, die Jugend der bodenständigen Eingeborenenbevölkerung; diese Bantuschulen sind bis zu 9 0 Prozent Missionsschulen, die sich um die zivilisatorische Hebung der Neger, wie kein Vernünftiger bestreitet, die größten Verdienste erworben haben. Der Besuch dieser Lehranstalten ist für Negerkinder frei; es hängt vom Willen der Eltern ab, ob sie ihre Kinder in die Schule schicken oder nicht. Man redet zwar viel davon, daß auch für die Negerkinder die Schulpflicht eingeführt werden soll, aber die Verhältnisse sind, wie zugegeben ist, so schwierig, daß bis jetzt noch keine Lösung gefunden wurde. Auch die Negerschulen wurden von der Regierung weithin unterstützt, indem die Bezahlung der [ ehrergehälter vom Staat bestritten wurde. Indessen waren die Zuwendungen für die einzelnen Schulgattungen sehr verschieden. Im Rechnungsjahr 1952/53 betrugen die Gesamtausgaben für alle Schulen 16,555.935 Pfund Sterling, ein bedeutender Aufwand, den sich eben dieses Land der Gold- und Diamantengruben leisten konnte. Von dieser Summe wurden für die „weißen“ Kinder der 2,25 Millionen Europäer 9,947.081 Pfund Sterling aufgewendet; für die Kinder der Coloureds (etwa 1,5 Millionen Köpfe) 3,998.081 Pfund Sterling. -Für die Kinder der 8,5 Millionen Bantubevölkerung verblieben nur noch 2,610.201 Pfund Sterling. Der Staatszuschuß bekommt indessen ein etwas blasseres Gesicht, wenn man weiß, daß außer den indirekten Steuern, die alle Bevölkerungsschichten in gleicher Weise bezahlen, die Neger auch noch die Polltaxe (Kopfsteuer) und in den Reservaten sogar noch die Hüttensteuer zu bezahlen haben. Jeder männliche Neger hat vom 18. Lebensjahr an jährlich ein Pfund Sterling Polltaxe zu entrichten, ob er Arbeit hat oder nicht. Die Hüttensteuer in den Reservaten beträgt jährlich mindestens 10 Shilling pro Hütte bis zum Höchstbetrag von 30 Shilling. Die Polltaxe erbrachte 1950/51 1,654.125 Pfund; die Hüttensteuer 270.878 Pfund; zusammen: 1,924.003 Pfund Sterling. Bei all dem sind die Neger die billigsten Arbeiter, so daß Mr. Oppenheimer, einer der einflußreichsten Finanzmagnaten des Staates, gestehen mußte: „Der Gewinn aus der Industrie ist zu 82 Prozent der billigen Negerarbeit zuzuschreiben.“

Nun sollen die Negerschulen ganz und ausschließlich unter staatliche Führung kommen.

Es würde über den Rahmen meines Berichtes an die „Furche“ hinausgehen, hier alle Bestimmungen der „Bantu Education Bill“ vom 17. August 1953 anzuführen: nur die einschneidendsten seien angeführt:

3. Der Minister des Negerdepartments hat volle Kontrolle über die Negererziehung.

6. Der Minister hat das Recht, die den Negerschulen gewährten Unterstützungen zurückzuziehen.

9. Keine Negerschule darf weitergeführt werden, wenn sie nicht registriert ist; die Registrierung soll verweigert werden, wenn die Schule nicht zum Wohle des Volkes ist.

10. Jedes Schulgebäude muß vom Minister anerkannt werden.

15. Der Minister ist ermächtigt, Religionsunterricht vorzusehen. In den unteren Klassen der Bantuschule sollen die weißen Lehrkräfte (Schwestern!) mit der Zeit verschwinden.

In einem Erlaß des Ministers Verwoerd vom 2. August 1954 wurde erklärt: Kirchen, die ihre Schulen behalten wollen, haben um Erlaubnis einzukommen. Indessen wird ihnen auf unbestimmte Zeit nur ein 75prozentiger Zuschuß zu den Lehrergehältern, also nicht die ganze Summe, gewährt. Die Regierung beabsichtigt, die Schulgebäude der Missionen zu mieten oder aufzukaufen.

Die Miete besteht, wie bis jetzt bekannt geworden ist, in einem bloßen Anerkennungszins von 1 Shilling pro Jahr.

Die neue Gesetzgebung ist ein schwerer Schlag für alle Missionsschulen. Die anglikanische Kirche in Transvaal hat deshalb sich schon genötigt gesehen, alle ihre Negerschulen zu schließen; 10.000 Bantuschulkinder müssen jetzt in anderen ohnehin schon übervölkerten Schulen unterzukommen suchen oder sie verwildern auf der Straße. Die katholische Mission ist noch am Verhandeln. Ihre Haltung ist für den Augenblick diese: sie nehmen den 75prozentigen Staatsbeitrag zur Bezahlung der Lehrergehälter an, aber sie vermieten oder verkaufen keines ihrer Schulgebäude. Was aber kommen wird, wenn die 75 Prozent gestrichen werden sollten was zu befürchten ist, das ist das beängstigende Problem der Zukunft. Darum wird die katholische Mission für ihre 900 Schulen mit 130.00C Kindern, die vom neuen Gesetz erfaßt sind, nich; weniger als 270.000 Pfund Sterling jährlich aufzubringen haben, um die Schulen zu erhalten. Diese Summe würde die Leistungskraft der Katholiken des Landes übersteigen.

Noch sind die Auseinandersetzungen um die Neger nicht abgeschlossen; zur Zeit herrscht eine gewisse Atempause; die Wirkungen einer schulfeindlichen Lösung wären unheimlich.

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