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Vom „Institut“ zur „Hochschule“

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Die Gesetzgebung über das Universitätswesen stand gemäß den staatsgrundgesetzlichen Bestimmungen vom Jahre 1867 ausschließlich dem Reich zu, die Gesetzgebung bezüglich der technischen Institute war hingegen vom Staatsgrundgesetz den Landtagen zugewiesen worden. Das Polytechnische Institut in Wien war nun seiner Einrichtung und tatsächlichen Bedeutung nach mehr eine Reichsanstalt als eine niederösterreichische Landesanstalt. Um diesen Tatsachen rechtlich Rechnung zu tragen, verzichtete der niederösterreichische Landtag ausdrücklich auf seine Zuständigkeit zugunsten des Reichsrats. Diese rechtliche Möglichkeit eröffnete Paragraph 12 des StGG 1867, RGBl. Nr. 141. Beim Reichsrat wurde der Entwurf betreffend die Reorganisation des Polytechnischen Instituts in Wien eingebracht und erlangte am 10. April 1872 Gesetzeskraft.

Das Institut wurde ab nun k. k. Technische Hochschule genannt. Der Grundsatz der Lehr- und Lernfreiheit wurde endgültig verwirklicht. Die Aufnahmebedingungen wurden verschärft. Nur Inhaber von Maturitätszeugnissen durften aufgenommen werden. Neue Reformpläne wurden erarbeitet. Diplomprüfungen sollten als Analogon der Universitätsrigorosen bleiben; technische Staatsprüfungen sollten nach dem Vorbild der für die Juristen bestehenden eingeführt werden. In der Ministerialverordnung vom 12. Juli

1878, RGBl. Nr. 94, fanden diese Gedanken ihren rechtlichen Niederschlag. Mit Verordnung RGBl. Nummer 73/1900 „betreffend die Regelung der Staatsprüfungen und Einzelprüfungen an den technischen Hochschulen“, wurde das Prüfungswesen geregelt

Im Deutschen Reich war zu dieser Zeit der technischen Hochschulen das Recht der Kreierung von Doktor-Ingenieuren verliehen worden. Im Zuge einer neuerlichen Studienreform wurde den österreichischen technischen Hochschulen durch die Verordnung RGBl. Nr. 38/1901 das Recht eingeräumt, Doktoren der technischen Wissenschaft zu promovieren. Damit war die erstrebte Gleichstellung mit den Universitäten im wesentlichen erreicht. Gleichstellungen in äußerer Beziehung, nämlich die Gestattung des Tragens einer Ehrenkette und der Führung des Magnifizenztitels durch die Rektoren, folgten.

Unerhörter Wunsch

Das Hochschulorganisationsgesetz, BGBl. Nr. 154/1955, setzte den Schlußstein im Kampf der technischen Hochschulen um ihre Gleichberechtigung mit den Universitäten. Es differenziert zwar noch nominativ zwischen diesen und jenen, normativ besteht aber kein Unterschied mehr. Beide sind wissenschaftliche Hochschulen; beide sind unmittelbar dem Bundesminister für Unterricht unterstellte Anstalten des Bundes.

Sie besitzen Rechtsfähigkeit bezüglich des Erwerbs von Schenkungen, Erbschaften und Vermächtnissen sowie des Beitritts zu Vereinen, deren Zweck die Förderung von Hochschulaufgaben ist, und sind insofern selbständige Anstalten. Sie haben Rektorats- und Fakultätsverfassung. Fakultäten als selbständige organisatorische Einheiten bestehen also auch an den technischen Hochschulen: eine Fakultät für Bauingenieurwesen und Architektur, eine für Maschinenwesen und Elektrotechnik und eine für Naturwissenschaften. Allerdings hat das Hochschulorgani-sationsgesetz wegen verschiedener Umstände — Verflechtung der einzelnen Fächer, relativ junges Dasein der technischen Hochschulen, Entwicklung der Naturwissenschaften — an den technischen Hochschulen nicht die volle Fakultätsverfassung eingeführt. Neben den Fakultätskollegien und dem Akademischen Senat wurde nämlich das Gesamtkollegium beibehalten. Es ist aber die Möglichkeit vorgesehen, daß dieses diejenigen

Angelegenheiten, die nach der Verfassung der Universitäten zum Wirkungsbereich des Professorenkollegiums gehören, den Fakultätskollegien überträgt. Abweichend von der Universitätsverfassung gehören den Fakultätskollegien der Technischen Hochschule auch je ein Mitglied der beiden anderen Fakultäten an.

Den Wunsch der Technischen Hochschule in Wien, in „Technische Universität“ umbenannt zu werden, erhörte der Gesetzgeber bisher allerdings nicht.

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