Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Zwischen Maschine und Katheder…
Das „neue Modell der Hochschule“ Ist ein Anliegen der Hochschüler und der jungen Dozenten und Assistenten. So wie in anderen europäischen Ländern haben sich auch in Österreich die Hochschullehrer und die akademischen Behörden gegenüber dieser Forderung der Jungen zunächst eher zurückhaltend benommen. Der Staat, das heißt der nach der Verfassung berufene Unterrichtsminister, der Bundesrat und die parlamentarischen Klubs der Parteien, haben entschieden die Bereitwilligkeit zur Aufnahme der Gespräche gezeigt.
Es scheint also ein Gespräch zu dritt zu werden; ein Teilnehmer läuft dabei Gefahr, daß auf seine Kasten ein Deal zustande kommt. Wer wird das sein? Die Hochschüler, oder die akademischen Behörden und die Lehrkanzeivorstände, oder die Unterrichtsverwalbung und dar Staat? Der Sache wäre es dienlich, wenn zwischen den drei Hauptgesprächspartnern, Hochschüler, Lehrer und Staat, eine möglichst geordnete Gesprächssituation entstünde. Das aber ist nicht unbedingt gewährleistet; denn zwischen diesen drei Partnern gibt es keine durchgängigen Demarkationslinien der Interessenlagen.
Die politischen Parteien im Staat haben ihre mehr oder weniger verläßlichen Hochschülerorganisationen; der Staat selbst geht an das Problem mit der in seinem Bereich bestehenden Konfrontation RegierungsparteiOppositionspartei heran; das Generationsproblem, praktisch der Aufstand der dritten Generation nach dem Krieg gegen das „establish- ment“, das die „ermüdete Generation der fünfziger Jahre“ hinterlassen hat, ist gleichzeitig dm Staat, in den politischen Parteien, in den Interessenverbänden und vor allem auch innerhalb der Lehrkörper sowie überall in der Gesellschaft vorhanden. Das ist der Knoten in dem Knäuel der sich viielflach kreuzenden und überschneidenden Interessen.
Nehmen wir an, es käme in Österreich, wo die Diskrepanz zwischen dem Industriesystem und dem Bildungssystem nicht so kraß ist wie in den westeuropäischen Industrieländern, zu einer Hochschulreform, ohne daß die Revolte gegen Gesellschaft und Staat weiter schwelt. Die folgenden Ausführungen gehen von dieser Hypothese aus.
Die Probleme sind nicht neu
Alle Probleme einer Hochschulreform, die in diesem stürmischen Frühling 1968 irgendwo in Europa zutage getreten sind, sind nicht nur brandneu, sondern auch uralt; um sie wird gerungen, seit es eine europäische Hochschultradition auf Grund der mittelalterlichen Modelle von Paris und Bologna gibt. Wie immer die jeweilige Konfiikt- Situation verläuft, es kreist die Polemik regelmäßig wiederkehrend um folgende Punkte:
Verwaitungsautonomie,
wissenschaftliche Autonomie,
Verbindung von Forschung und Lehre,
Verbindung von Berufsbildung und Wissenschaft,
Vorbereitung für das Studium an der Hochschule.
Die V,erwaltungsautonomie
Unverlierbar bleibt das Ideal der freischwebenden Republik der Intellektuellen. Es ist ein Ideal, und daher wird es niemals verwirklicht.
Die mittelalterliche Universität war eine Korporation, deren Verwaltungsautonomie abhängig war von der Großzügigkeit des Stifters und der Möglichkeit, diese Stiftung immer aufs neue und reicher auszustatten. Bleibt dieser Nachschub aus, degeneriert die Universität; Rudolf der Stifter hatte Ideen, aber wenig Mittel, und das bekam die Wiener Universität gleich bei ihrer Gründung zu spüren. In der Neuzeit haben die Landesherren die Lenkung der Universitäten mehr an sich gezogen. Der Polizeistaat des Aufklärungszeitalters hat die mittelalterliche Korporation zum Verschwinden gebracht und daraus eine Staatsanstalt, die Fabrik zur Herstellung seiner Fachleute, gemacht. Nach der 48er-Revolution gab es zwei Möglichkeiten: die Rückkehr zur autonomen Körperschaft mit förmlichem Statut, oder die Ausstattung der Universität mit einem taxa- tiv umschriebenen Kreis der definierten Rechte ihrer Selbstverwaltung. In Österreich wurde das letztere Modell wahrscheinlich am weitesten ausgegliedert. Im Verlauf des Jahrhunderts entstand eine Hochschule „mit einer dem Staat zugewandten und einer dem Staat abgewandten Seite“. Vergessen wir in der jetzigen Konfliktsituation nicht, daß sich die Aufstände der Studenten in Frankreich und Deutschland gegen ein Hochschulmodeli richten, in dem die Überreste des Polizeistaates in einem Ausmaß vorhanden sind, das es in Österreich seit 100 Jahren gar nicht mehr gibt.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!