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Staatliche Einheitsschule in der Volksdemokratie

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Mehr als zwei Jahre lang wogte der Kampf um ein neues tschechisches Schulgesetz; es soll das alte österreichische Reichsvolksschulgesetz ersetzen, das fast drei Generationen und drei Staaten überdauert hat. Zwei Entwürfe lagen der Regierung vor, der eine aus dem Jahre 1946, ausgearbeitet von dem damaligen Unterrichtsminister Ne- jedly, dem „orthodoxesten aller Kommunisten“, der zweite aus dem Jahre 1947 von Nejedlys Nachfolger im Ministeramt, dem volkssozialistischen Minister Stranskf. Als nach der Machtergreifung im Februar 1948 Minister Nejedty vom Posten des Sozialministers wieder in sein altes Ressort hinüberwechselte, wurde sein Schulgesetzentwurf wieder hervorgeholt, von der Regierung einstimrpig genehmigt und innerhalb kürzester Frist durch die einzelnen Parlamentsausschüsse gepeitscht, so daß sein Inkraftsetzen mit Beginn des neuen Schuljahres, also am 1. September 1948, gesichert ist.

Die einschneidenden Veränderungen beginnen schon bei den Kindergärten, deren Besuch, soweit solche in einem Orte bestehen, für alle fünfjährigen Kinder verpflichtend ist. Die Volksschulen, also die „Schulen erster Stufe“, in der neuen, durch das „Gesetz über die grundlegende Regelung des Einheitsschulwesens“ eingeführten dreistufigen Hierarchie, werden in Zukunft Nationalschulen heißen und kein 6., 7. und 8. Schuljahr mehr umfassen.

Die Schule der zweiten Stufe bildet die vierklassige Mittelschule. Sie entspricht der bisherigen Bürgerschule (Hauptschule) und Untermittelschule. Die bisherige Scheidung der für einen praktischen Beruf bestimmten Kinder von den für ein Weiterstudium ausersehenen, soll künftig einem späteren Zeitpunkt Vorbehalten sein; bis zum 15. Lebensjahr soll eine gemeinsame Erziehung in der einheitlichen Mittelschule erfolgen. Organisatorisch wird diese Neuordnung beträchtliche Schwierigkeiten zu überwinden haben, da an dieser Schulkategorie vom Beginn des neuen Schuljahres an Fachlehrer und Gymnasialprofessoren nebeneinander zu wirken haben werden. Einen Lateinunterricht wird es in der zweiten Stufe der Einheitsschule nicht geben; er bleibt auf die dritte Stufe beschränkt. Während die Schulen erster und zweiter Stufe Pflichtschulen sind, beginnen in der dritten Stufe dieN„Wahlschulen“. Es sind dies Grundfachschulen mit einer Studienzeit von weniger als vier Jahren; sie vermitteln die Fachausbildung für bestimmte Berufe und vertiefen die Allgemeinbildung, die höhere Fachschule mit mindestens vierjähriger Studienzeit, geteilt für Landwirtschaft, Handwerk, Handel, Verkehr, Frauenberufe, künstlerische Vorbildung, Gesundheits wesen usw. Sie vermitteln eine höhere Fachbildung und gleichzeitig eine höhere Allgemeinbildung mit der Möglichkeit des Übertrittes an eine Hochschule; drittens Gymnasien mit vierjähriger Studiendauer für eine höhere wissenschaftlich ausgerichtete Allgemeinbildung und Vorbereitung auf das Hochschulstudium.

Der Besuch einer dieser drei Kategorien ist verpflichtend, das heißt, die gesamte männliche wie weibliche Jugend ist nach Beendigung der Mittelschule verpflichtet, sofern sie nicht das Gymnasium oder eine höhere Fachschule besucht, eine „G r u n d f a c h s c h u 1 e" zu besuchen.

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