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Ein neuer Faktor: die Heimwehr

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Charles Gulick hat mit Recht festgestellt, daß nach Abflauen der Kämpfe, als sich auf beiden Seiten Anzeichen zu einer Verständigung bemerkbar machten, ein neuer Akteur die Bühne betrat: die Heimwehren der Bundesländer. Zunächst in Tirol, wo man jede Streikbewegung verhinderte, und besonders in der Steiermark, wo Doktor Pfrimer die Besetzung verschiedener Bahnhöfe anordnete und am 17. Juli ein Ultimatum an die Landesregierung stellte, dem sowohl von den Behörden als auch von den Streikenden Folge geleistet wurde. Damit war ein neues Element in der österreichischen Innenpolitik wirksam geworden, das sich nun unter dem Eindruck der Ereignisse in Wien zu einer außerparlamentarischen Kraft entwickelte, die sich zunächst bei den verschreckten Massen des Bürgertums der Wirtschaftstreibenden und der Führung der Christlichsozialen Partei großer Unterstützung erfreute. Ahnungsvoll schrieb Leopold Kunschak:

„Auf diese Sympathie bauend, unter demagogischer Ausnützung der Schwierigkeiten im Nationalrat und der schweren Fehler, die da und dort von den Parteien begangen wurden, ging sie zu einer Generaloffensive gegen den Parlamentarismus im allgemeinen und gegen die Mitglieder des Nationalrates im besonderen über. Vieles von dem, was sich die Heimwehr damals leistete, wurde ihr nur als Kinderkrankheit angeschrieben. Bundeskanzler Doktor Seipel erblickte in der Heimwehr einen wenn auch nicht gesuchten, so doch willkommenen Partner seiner gegen die Sozialdemokraten gerichteten Politik.

Auch zwischen Heimwehr und christlichsozialer Arbeiterschaft herrschte anfänglich ein erträgliches Verhältnis, erst als die steirische Helmwehr unter dem offenkundigen Einfluß der Machthaber der Alpinen Montangesellschaft und deren leitenden Beamten eine eigene Gewerkschaftsorganisation zum Kampfe auch gegen die christlichen Gewerkschaften gründeten, war der Konflikt mit der christlichen Arbeiterbewegung gegeben. Am 19. Mai 1928 erfolgte in Leoben die Gründung der .Unabhängigen Gewerkschaft' mit einer ganz brutalen Kampfansage an die christlichen Gewerkschaften, deren Mitglieder im Bereiche der ,Alpinen' fortan den schwersten Schikanen ausgesetzt waren. Einer der schärfsten Losgeher war ein Ingenieur Rauter, der seither aus Österreich zu den Nazis nach Deutschland übergelaufen ist.“

Diese 1935 niedergeschriebenen Reflexionen schließen prophetisch die weiteren Folgen des 15. Juli 1927 ein. Von nun an beginnt in der Innen- und Außenpolitik der Einbruch ausländischer Einflüsse, angefangen mit der italienischen und ungarischen Unterstützung der Heimwehr bis zur Agonie der österreichischen Demokratie, deren schwerste Verwundung der 15. Juli 1927 war.

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