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Die Schuldigen und die Verantwortlichen

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Fritz Würthle gab in der letzten Folge seines Berichtes einen Überblick über die schicksalshaften Tage zwischen Attentat und Mobilisierung

Weshalb sich der Verdacht der Anstiftung stärker gegen den früheren österreichischen Offizier Milan Pribičevič richtete als gegen den von Ilič genannten Major Tankosič, läßt sich vielleicht psychologisch erklären.

Der Name Pribičevič war in Österreich bekannt. Der Bruder Sve- tozar war Politiker der serbischkroatischen Koalition in Agram, und die beiden sollen kurz vor dem Attentat einander getroffen haben. Ferner machte Milan, der der Verfasser der Statuten einer großserbischen Bewegung und Mitbegründer der Narodna Odbrana war, aus dem Haß gegen Österreich kein Hehl.

Milans Name wirkte auf die österreichischen Behörden wie ein rotes Tuch, doch der Verdacht gegen ihn bestätigte sich nicht. Er, der nicht Mitglied der „Schwarzen Hand“ war, hatte mit dem Mord nicht das geringste zu tun.

Daß der Untersuchungsrichter Pfeffer den Angeklagten öfter nach Pribičevič als nach Tankosič fragte, das allein wäre noch kein Beweis seiner Fragwürdigkeit. Diese aber geht klar aus Pfeffers Haltung in den Jahrzehnten nach dem Krieg hervor. So leugnete er 1926 gänzlich, daß serbische Behörden überhaupt etwas von dem Mordanschlag gewußt hätten:

„Aus übereinstimmenden Aussagen der Beschuldigten geht hervor", so schreibt er, „daß die Angeklagten vor den offiziellen Serben ihre Ansicht und ihre Vorbereitungen verbargen. Sie reisten als Finanzer durch Serbien mit falschen Pässen, und erst als sie nach Bosnien, nach Tuzla kamen, traten sie unter ihrem richtigen Namen auf.“

In den vierziger Jahren — die Zeit hatte sich geändert, und neue Herren waren ans Ruder gekommen — scheute sich Pfeffer nicht, eine der ersten Persönlichkeiten Serbiens in Verbindung mit dem Attentat zu bringen:

„Einer der Beschuldigten hatte gestanden, daß das Attentat mit Hilfe und Wissen des damaligen Thronfolgers Alexander vorbereitet worden war. Da man aber den Souve rän eines fremden Staates nicht in eine Mordsache hineinziehen konnte, sei die Angelegenheit auf Weisung eines höheren Beamten nicht weiterverfolgt worden.“

Die Regierung Pasič wurde von einem ihrer Kabinettsmitglieder, nämlich dem Unterrichtsminister Ljuba Jovanovii, der Mitwisserschaft beschuldigt:

„Das Komplott gegen Franz Ferdinand ist dem gesamten Kabinett schon geraume Zeit vor dem Mord bekannt gewesen. Die Anhaltung der nach Bosnien reisenden Attentäter konnte jedoch nicht verhindert werden."

Persönlich den Mordauftrag gegeben zu haben, rühmte sich Oberst Dimitrijevič. Bėi welcher Gelegenheit? Apis wurde 1917 von einem serbischen Kriegsgericht für Offiziere zum Tod verurteilt und unweit von Saloniki erschossen. Man beschuldigte ihn, auf den Thronfolger Alexander einen Mordanschlag organisiert zu haben.

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