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Nur ein kleiner Beamter

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Vielleicht erfüllte er nur seine Pflicht, recht und schlecht. War Pfeffer nicht ein kleiner, um seine Existenz besorgter Beamter?

Der noch nicht lange in Sarajewo lebende Gerichtssekretär dürfte von anderen Herren, die selbst in diesem Hexenkessel nicht aktiv werden wollten, nur vorgeschoben worden sein.

Seiner Nationalität nach war Pfeffer Kroate und seiner letzten Verwendung nach Untersuchungsrichter in Presseangelegenheiten. Wahrscheinlich sei es diese Funktion gewesen, der er die Betrauung mit der Monsteruntersuchung gegen Princip und Genossen zu verdanken hatte, so meinte er selbst.

Mit den großen politischen Zusammenhängen dürfte Pfeffer kaum vertraut gewesen sein. Noch weniger mit der Organisation politischer Verschwörerbanden. („Von der ,Schwarzen Hand’ habe ich kaum etwas gewußt”)

Woher sollte er auch Ei’fahrungen in großen Untersuchungen haben?

Ihm stand kein Stab geschulter Kriminalisten zu Verfügung.

Und mm das Ärgste: Pfeffer war im Gegensatz zur Polizei, die ihre eigenen Wege ging, und stand, wie er selbst sagte, auf Kriegsfuß mit der österreichischen Behörde, „denn es hatten sich bei der Untersuchung Tatsachen herausgestellt, die den damaligen maßgebenden Kreisen nicht erwünscht waren”.

„Dies war”, fährt Pfeffer fort, „der Grund, daß meine Gehilfen und der Richter, welcher das Urteil fällte, hohe Auszeichnungen erhielten, während ich nur das Kriegskreuz für Zivilisten bekam, welches auch der letzte Diurnist (Taglohnschreiber) erhielt.”

Jene maßgebenden Kreise, über die der Untersuchungsrichter Klage führte, wollten ihn sogar absetzen. Was war der Grund? Seine unzulänglich-fragwürdigen Methoden? Angst vor Enthüllungen? War er bockig? Sah er vielleicht nicht ein, daß manchmal Vertuschungen dazugehören?

Pfeffer: „Der Oberstaatsanwalt Holländer, der Präsidialchef der. Landesregierung, Collas, der Regierungskommissär Gerde und zwei ungarische Detektive hatten mich in Wien verklagt und meinen Austausch beantragt.”

Dazu kam es aber nicht, angeblich deshalb, weil Pfeffer bei Grabež und Ilič doch noch „schöne Geständnisse” erzielen konnte.

„200 werden an die Wand gestellt”

Im Verschwörerkreis wird allerdings das Geständnis des Ilič und damit der Verrat der zweiten, der Sarajewoer Troika einem Bluff des Kriminalreferenten Ivasiuk zugeschrieben, der sich als Photograph ins Gefängnis begeben haben soll und nebenher, aber so, daß Ilič es hören konnte, zu seinem Gehilfen bemerkte: „Es macht nichts, daß sie alle nicht gestehen, dafür werden 200 angesehene serbische Bürger an die Wand gestellt.”

Eines ist so gut wie sicher, nämlich, daß die Polizei dem Untersuchungsrichter Gefangene eine Zeitlang vorenthielt, zum Beispiel den Gymnasiasten Grabež.

Das war der dritte Mann der Belgrader Troika, ein intimer und ernster Freund des Princip.

Anfangs hatte Princip gar „nicht die Absicht”, den Grabež „in den Anschlag zu verwickeln”. Er wollte seinen Freund schonen, denn er, Grabež, sei „eine edle Seele und ein bescheidener Mensch”.

Aber dem Grabež wäre das nicht recht gewesen; er trug sich von selbst an, am Attentat mitzuwirken. Vor Gericht bekannte er seine Mordabsicht. Der halbwüchsige Gymnasiast belastete sich damit selbst; er hätte es nicht verwunden, von seinen Kameraden für feige gehalten zu werden.

Seine Aufgabe wäre es gewesen, durph - die Zu- ‘schauer zu verwirren. Als es soweit war, stantLer um falschen Platz, und- diese Störaktion unterblieb. Im Prozeß, es ging bereits um Kopf und Kragen, erwiderte Grabež auf die Frage des Vorsitzenden, „ob er im Falle, daß der gottselige Ferdinand zur Lateinerbrücke zurückgekehrt wäre, auch noch entschlossen war, das Attentat auszuführen”, eindeutig mit „Ja”.

Nach Princips Schüssen machte er sich aus dem Staub, lief zu einem Verwandten, versteckte in dessen Haus, und zwar im Klosett, seine Bombe, die Pistole unter dem Dach, besichtigte dann den Tatort des Čabrinovič und die Sprengwirkung seiner Bombe, übernachtete bei seinem Onkel, dem serbisch-nationalen Landtagsabgeoi’dneten Gavro Gasič, orthodoxer Erzpriester, Referent im kirchlichen Obergericht, Mitglied des Kirchengerichtes.

Am nächsten Morgen fuhr Grabež, der dritte Mann, nach Hause in die Sommerfrische Pale, wo sein Vater Pfarrer war.

Vom Tod der Hei-zogin erfuhr er aus der Zeitung.

Dort, in Pale, einem vielbesuchten Ausflugsort der Sarajewoer, war es ihm nicht geheuer; er floh; auf der Fahrt zur Grenze wurde er dann in Praca von Gendarmen angehalten und nach Sarajewo gebracht.

Der Irrtum des Grabež

Noch in der Haft rechnete Grabež noch immer damit, es könne ihm nicht viel passieren. Aus der Tatsache, daß man ihn „drangsalierte”, schloß ei’, daß kein belastendes Material, „keine Fakten”, gegen ihn vorhanden wären.

Das war ein Irrtum.

Lesen Sie in der nächsten Nummer: „Gentlemanverhöre” und Gegenüberstellungen.

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