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Ägypten wird von sich aus, wie in Kairoer offiziellen Kreisen immer wieder betont wird, die Schießereien am Suezkanal nicht wieder aufnehmen. Die gegenteiligen Äußerungen des neuen Präsidenten Anwar es-Sadat und führender Offiziere sind lediglich als Beschwichtigungsformeln gegenüber den Streitkräften und befreundeten arabischen Regierungen zu werten.

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Ägypten wird von sich aus, wie in Kairoer offiziellen Kreisen immer wieder betont wird, die Schießereien am Suezkanal nicht wieder aufnehmen. Die gegenteiligen Äußerungen des neuen Präsidenten Anwar es-Sadat und führender Offiziere sind lediglich als Beschwichtigungsformeln gegenüber den Streitkräften und befreundeten arabischen Regierungen zu werten.

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Die Kairoer Regierung ließ ihre Vorbedingung für die Waffenstillstandsverlängerung, die sofortige Wiederaufnahme der Jarring-Mission, inzwischen stillschweigend fallen. Sie hat wohl selbst eingesehen, daß es dazu erst der Herstellung einer neuen Vertrauensbasis bedarf. Schon zu Lebzeiten Abdel Nassers befand sie sich in dieser Frage allerdings in einem schwer lösbaren Dilemma: Einerseits war und ist die Armee, nach übereinstimmenden Auskünften ägyptischer und sowjetischer Experten, keineswegs stark genug, um die Überquerung der Wasserstraße und die Rückeroberung der Sinaihalbinsel zu wagen. Sie braucht also selbst noch eine längere Feuerpause. Anderseits möchte man den jetzigen Zustand nicht auf die Dauer einfrieren lassen. Die Ägypter fürchten, die Demarkationslinie „entarte“ im Bewußtein der eigenen Bevölkerung und der Weltöffentlichkeit allmählich zur echten Grenze zwischen beiden Ländern.

Dieses Düemrna hat noch eine andere Seite: Einerseits ist die Niltalbevölkerung nach wie vor kriegsmüde und hofft nach dem plötzlichen Tod des „Rais“ mehr noch als vorher auf einen Frieden. Die neuen Herren müssen sich warnend vor Augen halten, daß das Ansehen Abdel Nassers, das schon auf einen scheinbar nie mehr wettzumachenden Tiefstand gesunken war, in seinen letzten Lebensmonaten bei seinen Landsleuten gerade deshalb noch einmal so sprunghaft angestiegen war, weil sie mit überwiegender Mehrheit die ewige Kriegsführerei satt hatten. Anderseits warf man den Streitkräften nach dem Sechstage-kriag völliges militärisches Versagen vor, wechselte ihre gesamte Füh-rungsgamitur aus und machte einigen hohen Offizieren den Hochverratsprozeß. Diese „unbewältigte Vergangenheit“ veranlaßte das Offizierskorps, nach Inkrafttreten des Waffenstillstandes vorsorglich auf die systematische Vervollständigung des vordersten Verteidigungsgürtels zu drängen. Nur dadurch könne verhindert werden, daß der Gegner, wenn es wieder zum Ausbruch von Feindseligkeiten komme, erneut die absolute Luftherrschaft über das ägyptische Hinterland erringe. Abdel Nasser stand vor der Alternative, einen ernsthaften innerpolitischen Konflikt mit dem ohnedies aufsässigen Offizierskorps zu riskieren oder den Vertrag über die Feuerpause zu verletzen. Er entschied sich bekanntlich für das Letztere. Informierte Kairoer Kreise behaupten, er habe gar keine andere Wahl gehabt. Sie geben heute jedoch unumwunden zu, daß damit Buchstabe und Geist des UN-Abkommens verletzt worden seien. Man bedauert, daß die Vorverlegung der Raketenbasen so lange abgestritten wurde. Das sei taktisch falsch gewesen und habe womöglich mehr als der eigentliche strategische Schritt die Vertrauensatmosphäre der Jarring-Runde tangiert.

Auf der Gegenseite übertreibe man maßlos die Auswirkungen der ägyptischen Maßnahmen. Die Raketenbarriere diene lediglich Verteidi-gungszwecken und beeinträchtige keineswegs die defensive israelische Position am Qstufer. Am Nil ist man davon überzeugt, daß die Vermittlungsibemühungen des Schweden Jarring bald wieder aufgenommen werden. Zwischen den Großmächten bestehe praktisch bereits jetzt grundsätzliches Einvernehmen über die Wiedereröffnung des Suezkanales für Schiffe aller Flaggen.

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