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Die Stadt wird gefährlich
In Washington und New York werden täglich Männer und Frauen auf der Straße und in ihren Wohnungen ermordet. Auf einem Parkplatz beim berühmten Times Square wurde ein Mädchen aus der Ferne erschossen. Am hellen Tage erfolgen in Gegenden, die’ sich mit dem Graben oder der Kärntner Straße vergleichen lassen, Überfälle, werden Taschen weggerissen, und die Opfer müssen noch froh sein, wenn man ihnen nicht mutwillig den Arm bricht. Dutzende Jugendlicher durchstreifen die Straßen, stechen friedliche Passanten nieder, zertrümmern Auslagen und Autos, bedrohen in der Untergrundbahn mit Messern und Knütteln die Fahrgäste. Zwei halbwüchsige Burschen übergießen ein sechsjähriges Kind mit Benzin und zünden es an; sie und ihre Eltern sind entrüstet, als man sie verhaftet. Aufzüge ohne Wärter — die meisten in New York, weil eine dreifache Schicht eine drittel Million Schilling im Jahr kostet — sind Todesfällen. Ein Anwalt stieg aus seiner eleganten Wohnung in den Aufzug und fiel unten ermordet in die Arme seiner wartenden Frau. Einzelne Frauen wagen sich nach Einbruch der Dunkelheit nicht aus ihren Wohnungen und zittern jeden Augenblick vor einem Einbruch, mit oder ohne Schändung und Mord. Ein ganzes Haus wird von seinen Bewohnern aus Furcht vor Angriffen und Brandstiftungen aus der Nachbarschaft verlassen, weil der Hausherr sich bei ihr unbeliebt gemacht hat. Alle weißen Geschäftsinhaber in Harlem möchten um jeden Preis verkaufen, seit ein Ehepaar, das sich aus Ungarn vor Nazis und Kommunisten gerettet hatte, von Kunden grundlos niedergestochen wurde.
Raub spielt nur in einem Teil der Überfälle eine Rolle, ist oft nur ein willkommenes Nebenprodukt. Hauptziel ist Mord, Verletzung, Schändung. 90 Prozent der Täter sind farbig, 80 Prozent der Opfer sind weiß. Diese Welle persönlicher Gefahr überflutet New York in einem Augenblick, in dem die Weltmesse Millionen Fremder aus USA und Ubersee anzieht.
Gegenbild im Süden: Schüsse, Bombenattentate auf Neger und auf Weiße, die für deren Rechte ein- treten, sind an der Tages- und Nachtordnung. Ein Neger, dessen Haus durch Bombenwürfe in Brand gesteckt wurde, wurde von den Staategerichten wegen Brandstiftung verurteilt, bis ein Bundesgericht ihn von dieser tollen Anklage befreite. Neger, die nichts anderes tun, als im weiten Meer zu baden, werden von weißem Mob überfallen, mitunter von der Ortspolizei aufopfernd geschützt, mitunter auch nicht. Die „Freiheitsreiter”, Weiße und Neger, die zu Hunderten aus dem Norden herbeiströmen, um den Negern den Rücken zu stärken, werden bestialisch überfallen.
Ehe man sich aber in Europa — von Asien und Afrika gar nicht zu reden — selbstgefällig entsetzt, sei einiges in Erinnerung gerufen. Was ist geschehen, als 1907 ein paar hundert friedliche Touristen deutsche Lieder singend durch die Dolomiten zogen und von der italienischen Bevölkerung ebenso blutig überfallen wurden, wie es jetzt den „Freihedts- reitern” in den Südstaaten geschieht? Und schließlich, um jede Überheblichkeit zu dämpfen, als Studenten auf der Wiener Universität ihre eigenen Kollegen mit Knütteln und Rasiermessern überfielen, so daß manche sich durch Sprünge aus den Fenstern retten mußten — während die Polizei beim Liebenbergdenkmal müßig stand und dem verbrecherischen Treiben auf dem geheiligten Boden der Hochschule untätig zusah? Und das alles geschah ufor den Greueln des Nazismus und Kommunismus.
Also bevor man über die tragischen Ereignisse in den USA einfach den Stab bricht, kehre man vor der eigenen Erinnerung.
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