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Ein neuer Hamlet

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Der russische Schwarzweißfilm des Regisseurs Grigori Kosinzew stellt einen ganz neuen „Hamlet“ vor. Es ist nicht sosehr der ewig zaudernde Dänenprinz, sondern der zielbewußte Rächer, der nur aus taktischen Motiven heraus zögert, kein Neurotiker, kein verträumter Weltverbesserer, der an der eigenen Schwäche leidet, ein Mann der Tat und dennoch ein grandioser Hamlet, gestrafft und nicht pedantisch am Originaltext hängend. Das Spiel der Darsteller bis in die kleinsten Rollen ist von einer hinreißenden Intensität, großartig unterstützt von einer hervorragenden Kameraleistung, die alle Düsternis der Atmosphäre auf das Bild zu bannen vermag. Auch die Musik, die kein Geringerer als Dimitri Schostakowitsch komponierte, rundet dieses Kunstwerk ab. Bedauerlich nur, daß die Tonqualität der ansonsten hervorragenden deutschen Synchronisation die Verständlichkeit stellenweise erschwert

Eine Köstlichkeit bedeutet auch die treffsichere Wildwestparodie „Cat Ballon — hängen sollst du in Wyoming“, die erst kürzlich bei der Berlinale 1965 preisgekrönt wurde. Man unterhält sich prächtig, denn der so geläufige Wilde Westen mit seinen Revolverhelden, Verfolgungsritten und rauhen Liebesgeschichten wird endlich einmal herzhaft parodiert. Der zu Hilfe herbeigerufene Kid Shellen, dem der Ruf eines unerschrockenen Helden vorauseilt, erweist sich als versoffener Kerl, dessen Pferd genauso unsicher auf den Beinen ist wie sein Herr. Erst die Liebe zu dem bedrängten, aber mutigen Wildwestgirl gibt ihm seine alten Qualitäten wieder zurück. Aber alles ist nur eine vergnügliche Parodie, die nie ernst genommen werden will. Wie wohltuend ist so ein Streifen im Gegensatz zu den harten und immer härter werdenden Wildwestern, die nun auch in Europa am laufenden Band hergestellt werden und bemüht sind, die amerikanischen Vorbilder durch noch blutigere Brutalitäten zu übertreffen.

Im obligaten Agentenfllm der Woche spielt Horst Buchholz einen neuen, listenreichen und unverwundbaren Superagenten: „Unser Mann aus Istanbul“. Zwei Stunden lang gibt es eine beträchtliche Anzahl von Leichen und sehr viel „action“, einige eindrucksvolle Ansichten von Istanbul und viele böse Agenten und einige gute, die am Schluß natürlich triumphieren. Einige parodistische Ansätze sind wohl zu bemerken, aber die vielen Toten lassen sie rasch wieder vergessen. Horst Buchholz zieht sich geschickt aus dieser turbulenten Affäre, besondere schauspielerische Leistungen werden ihm nicht abverlangt.

Wer immer noch auf eine besondere Leistung von Robert Hosseins „imponierender Häßlichkeit“ wartet, wird auch bei seinem neuesten Opus „Verflucht und vergessen“ enttäusch! sein. Es ist nur eine bitterböse Gangstergeschichte, in der ein eben entlassener Sträfling an dem Mann, der ihn „verpfiffen“ hat, blutige Rache nehmen will. Sie gelingt, diese Rache, aber er selbst kommt dabei im Kugelregen der Polizei melodramatisch ums Leben. Daß Hossein nicht nur Hauptdarsteller, sondern auch Produzent und Regisseur ist, merkt man allzu deutlich, denn er ist fast ständig im Bild einer um krampfhafte Originalität bemühten Kamera. Zwei bemerkenswerte Reprisen heben das Niveau des Kinoprogramms, zwei Filme von Elia Kazan: Das grandiose Gewissensdrama „Die Faust im Nacken“ und der noch ältere, aber blendend gespielte und inszenierte Spannungsfllm „Unter Geheimbefehl“.

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