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Erinnerungen

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Die vergangene Fernsehwoche, noch halb von sommerlicher Programmsparflamme genährt, trug in ihren wesentlichen Darbietungen den Charakter einer Retrospektive. Aber einer überwiegend erfreulichen. Womit neuerlich dokumentiert yiuöre, daß der „Blick zurück“ durchaus nicht immer im Zorn erfolgen muß. Daß einem dabei freilich zuweilen ein leichtes Gefühl wehmütiger Trauer beschleicht, wenn man sieht und hört, was früher in so manchen künstlerischen Disziplinen Hervorragendes geleistet wurde, das steht auf einem anderen Blatt.

Den Beginn in diesem belebenden Erinnerungsreigen machte in der Sendereihe „G'schichten aus Wien“ das Kabarett. Eine Kunstgattung, die zumindest in unseren österreichischen Breiten eigentlich immer mehr in Vergessenheit gerät und deren Tradition letztlich nur noch von Karl Farkas und seinem Simpl aufrechterhalten wird. Seine Plauderei mit dem liebenswürdigen Mentor durch die Vergangenheit des Wiener Kabaretts, Hans Holt, machte einem den erlittenen Verlust anschaulich. Wieviel Geist und Witz hatten doch spätere Literaten von Weltrang in diesen Etablissements, angefangen vom

„Nachtlicht“ über die „Fledermaus“ bis zur „Literatur am Naschmarkt“, dem „ABC“ und dem „Lieben Augustin“ investiert und zur Unterhaltung eines Publikums versprüht, das sich noch an Chansons, Parodien und Satiren zu delektieren und zu vergnügen wußte. Die nach dem Manuskript von Peter Lodynski von Regisseur Kurt Junek locker eingestreuten Kabarettausschnitte waren nicht nur informativ, sondern wurden auch wirklich unterhaltsam von prächtigen Mimen präsentiert. Eine Sommerkost, die man sich gern gefallen ließ.

Auch Dolf Lindners und seiner Mitarbeiter Dokumentation über die österreichische Architektur von 1945 bis heute in „Kulturaktuell“ trug den Stempel rückblickender Sichtung und zeitgenössischer Wertung, soweit letztere überhaupt in einer knapp zwanzigminütigen Bildfolge möglich ist. Für den Beschauer war sie freilich ein ziemlich verwirrender Ansturm von Stilbemühungen, der in seiner Tendenz zur Vollständigkeit des Guten zuviel tat. Letzteres durchtränkte auch die in der benachbarten Bundesrepublik von Korbinian Köberle ziemlich zäh zubereitete Komödienkost, zu der Marcel Pag-nol mit seinem „Cigaton“ die gebieterisch nach französischer Schaumschlägerei verlangenden Zutaten geliefert hatte. Karl Paryla machte aus dem leichtfüßigen Apercu über die schrullige Marotte eines begnadeten Kochs mehr eine Hanswurstiade, bei der man nicht genau wußte,, ob er seinen Rollentext mangelhaft beherrschte oder ihn bewußt wie mit einem Gemüsehackel bearbeitete und hervorknautschte. Gusti Wolf war sein rescher Widerpart.

Den Ausflug in die Vergangenheit beschloß die in jeder Beziehung gelungene Festsendung zum 90. Geburtstag von Robert Stolz. Sie hatte nur einen kleinen Schönheitsfehler: Sie kam nicht aus dem von Meister Stolz in seinen Liedern vielbesungenen Wien und dessen Umgebung, sondern aus der Berliner Philharmonie. Spree-Athen, beinahe ein Jahrzehnt Domizil des letzten großen Zeugen aus der silbernen Ära der Wiener Operette, huldigte großzügig und begeistert dem Meister des Wiener Liedes. Ein spezieller Genuß dieser Ehrungsshow: Anneliese Rothenberger führte, singend und sprechend, souverän und mit Charme durch das Programm.

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