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Neue Kubin-Bücher

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Das Werk Alfred Kubins läßt sich als eine Enzyklopädie' der dämonischen Kräfte verstehen, von denen der Mensch und seine Werke immer noch oder schon wieder bedroht werden. Sie enthält Auf-Zeichnungen über die stille Zerstörungsarbeit der Zeit ebenso wie über Katastrophen aller Art, die verheerend die Erde überziehen, und neben Schilderungen von Landschaften, in denen nur mehr Maschinen arbeiten, die das Leben vernichtet haben, stehen solche, wo gezähmte Bestien in plötzlichem Kraftbewußtsein ihre Dompteure oder scheues Jagdwild den verblüfften Jäger anspringen.

Die unentrinnbarste aller Gefahren, den Tod, stellt in mannigfachen Variationen der Zyklus „Ein neuer Totentanz” dar, den der Wiener Verlag in sauberen Reproduktionen und schöner Ausstattung herausgebracht hat. Der Kubmsche Tod kennt wenig Erbarmen, und nur dem, der ihn nicht mehr fürchtet, dem Armen oder Kranken, erscheint er als guter Freund. Sonst liebt er makabre Scherze: er zieht dem Bankrotteur den Sessel unter, dem Körper fort, lockt den Schmetterlingsfänger als Totenkopf in den Abgrund oder bekleidet sich in düsterem Spott mit den Insignien des ermordeten Cäsars. Dieser Tod ist von bösartiger Lustigkeit erfüllt, jder Zeichner aber, der ihn in seinen Verkleidungen kennt und im Bilde festhält, ist todernst; aus dieser Diskrepanz beziehen die Blätter ihre faszinierende Intensität.

Eine andere Reihe von Zeichnungen Kubins, die vor kurzem unter dem Titel ,,W i l d e Tiere“ im Linzer Genius-Verlag erschienen ist, zeigt das wilde oder verwilderte Tier als Träger der Gefahr. Mit lauernder Gemeinheit dringt die Bestialität als Hyäne in nächtliche Friedhöfe oder heult in Schakalchören vor den Mauern der Städte, die von Wäldern umgeben sind, in denen Raubketzen liegen und an deren Rändern Reptile auftauchen. Riesige Urtiere erwachen zu neuem Leben und ungeheuerliche Kraken zermalmen strandende Schiffe. Der Mensch hat die Wahl zwischen eiliger Flucht und verzweifeltem Widerstand. Ähnlich wie im Totentanz wird auch hier manchmal die plötzlich auftretende Gefahr durch unerwartete und höhnische Tücke verschärft, so zum Beispiel in jenem Blatt, in dem sich ein Fisch in fabelhafter Größe aus dem Wasser schnellt und den überraschten Fischer anspringt. — Die Buchbindenarbeit des schmalen Längsbandes ist nachlässig; an Stelle des weinroten Umschlages und der undeutlichen gelben Titelvignette hätte man schärfere und charakteristischere Farbkontraste gewünscht. Das von Justus Schmidt verfaßte Vorwort ist von vorbildlicher Prägnanz.

Die illustrative Kunst des Meisters vermag selbst literarischen Erzeugnissen gerecht zu werden, die ihrem Wesen nicht ganz entsprechen. Dies erweist sich an den Märchen, Parabeln und didaktischen Erzählungen Herbert Langes, die unter dem ein wenig mißverständlichen Sammeltitel „Das poetische Zeitalter“ im Brücken-Verlag, Linz, heraus- gegeben worden sind — die weniger poetische als meditative Stücke sind, die den nachdenklichen Leser ansprechen werden. Die Illustrationen Kubins gehen von den wenigen Sätzen des Autors aus, in denen Unheimliches oder Geheimnisvolles angedeutet wird, und führen sie zu reichen Episoden aus, welche die Absichten des Autors wirkqpgsvoll vertiefen. Ausgezeichnetes Papier und sorgfältiger Druck dieses Märchenbuches für Erwachsene fällt angenehm auf.

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