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Geniestreich oder Talentprobe?

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Er ist kompromißlos genug, um auch bei Werken aus der Raritätenkiste für Überraschungen zu sorgen: Nikolaus Harnoncourt gastierte - nach seiner fulminanten „Alfonso und Estrella"-Wiederbelebung - mit einer weiteren Schubert-Oper bei den Festwochen im Theater an der Wien. „Des Teufels Lustschloß", eine 1813/14 entstandene „natürliche Zauberoper" nach einem bieder-schrulligen Text August von Kotzebues, wurde für Harnoncourt und Regisseur Marco Arturo Marelli zur großen Herausforderung.

Die Arbeit, aus den beiden Versionen Schuberts eine brauchbare Spiel -fassung zu gestalten, hat sich gelohnt. Wenn man vom mühsam dahin-schleppenden ersten Akt absieht, sind da eine bizarre Geschichte und eine Menge origineller Musik zu entdecken. Müßig zu fragen, ob die Arbeit ein Geniestreich des 16jährigen ist oder nur eine Talentprobe?

Harnoncourt nennt das Stück einen genialen Wurf voll „Modernität". Und gibt seiner - für die Zürcher Oper entstandenen - Produktion die Intensität und Leidenschaft, die in Marellis effektvollem Bühnenbild eines Horror-Palastes ihre Entsprechung findet. Da brechen über das junge verheiratete Paar Ritter Oswald und Gräfin Luitgarde teuflische Prüfungen herein: Sie geraten - wie das junge Paar in der „Rocky Horror

Show" - in des Teufels Lustschloß, das mit seinen Geharnischten, Inquisitionsmönchen, Henkergestalten, mit seinen tödlichen Bedrohungen und Wasser- und Feuerproben sich als „Prüfungstempel" (nach „Zauberflöte"-Art!) herausstellt.

Eine Maschine romantischen Schreckens, über deren Funktion man erst im Finale aufgeklärt wird: Der Vater der Braut hat die beiden in diesen Gefühls-Detektor gelockt, um

ihre Liebe auf Wahrhaftigkeit zu prüfen.

Marellis Bühnenbild gefällt, aber in der Personen- und Dialogführung bleibt vieles spannungslos. Und Harnoncourt, der Perfektionist, stößt mit dem Zürcher Orchester wie mit der Besetzung - „Luitgarde" Eva Mei, „Oswald" Bainaldo Macias, „Amazone" Adrianne Pieczonka - leider an Grenzen. Nur Bobert Holl ist ein souveräner Knappe.

Zum Kontrastprogramm wurde die Schubertiade im Theater an der Wien zwischen den Aufführungen von „Des Teufels Lustschloß": Ein Programm nach dem Vorbild bunter „Schubertiaden" des Biedermeier. Der Meister zwischen Liebeslust und Spaß am Horror (in der Arie „Wohin zwei Liebende sich retten" aus des „Teufels Lustschloß" von 1813/14; mit der Sopranistin Ellen van Lier) und dem Es-Dur-Streichquartett der selben Zeit, aber auch mit Kammermusik voll Wehmut des Abschiednehmens - wie in den Duetten „Mig-non und der Harfner", „Der Tod und das Mädchen " und „Licht und Liebe" (mit Ellen van Lier und Bobert Holl) und im c-Moll-Streichquartettsatz (mit dem hervorragenden Wiener Streichquartett).

Am Schluß stand die weise Abgeklärtheit der f-Moll-Klavierfantasie (D 940), an der das temperamentvolle Duo Bico Gulda und Michael Ba-dura die gemeinsame Schubert-Kompetenz nachwies.

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