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Aktiv-Urlaub

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Wenn's nicht wahr ist, so ist es glaubwürdig erfunden: daß es nämlich Bauern gibt, die ihre Sommergäste kräftig in die Erntearbeit einspannen, die das als „Aktivurlaub am Bauernhof deklarieren und dafür nicht bloß klingende Münze, sondern auch höchstes Lob, Begeisterung und steigenden Andrang registrieren.

Tatsache jedenfalls ist, daß es zu den vielen „Noch nie!“, mit denen Regierungspolitiker die Gegenwart preisen, auch dies kommt: Noch nie wurde in der Urlaubssaison so viel getöpfert und geschnitzt, gewebt und gemalt, gekocht und geschneidert...

Die Freizeitgesellschaft hat die Arbeitsfreude entdeckt. Die kühnsten Prognosen der IndividuaU Psychologie werden wahr. Uralte hausbackene Weisheiten kommen zu Ehren: Sich regen bringt Segen!

Im Zangengriff von wirtschaftlichen Nullwachstümern und neuer Kulturpolitik, die selbst das Lackieren eigener Gartenzwerge noch für wertvoller als passives Fernsehglotzen hält, entsteht das neue Menschenbild vom Hobby-König. Nicht die perfekte Technik überdimensionaler Freizeitzentren, in denen kommunikationsbedürftige Halbneurotiker Kontaktprogramme absolvieren, sondern die ausgestorbenen Handwerksgeräusche von Schusterhammer und Holzbeil werden die Zukunft prägen.

Während der Computer die letzten ölvorräte der Welt hochrechnet, häkelt die Programmiererin Tischdeckerln. Eine Vision übrigens, die für die österreichische Mentalität wie maßgeschneidert wirkt.

Ehe uns jedoch auch diese neue Welle überrollt und neuerdings auf die Insel der Seligen spült, sollten wir wenigstens darüber nachdenken, ob wir diesmal nicht klüger als in der Wachstumsblüte sein sollten. Die neue Kulturpolitik, die im Eifer des Aktivierens jede Tätigkeit schlechthin zur Kultur erklärt, wird bald bis zum Hals in Gartenzwergen und Diwandek-kerln stecken und sich von biogemüsegestärkten Hobby-Architekten eine recht peinliche Sinnfrage gefallen lassen müssen.

Es kommt nämlich auch im Paradies der Freizeittätigen nur im ersten Augenblick darauf an, selbst irgend etwas zu tun. Im zweiten Augenblick kommt es darauf an, daß dies auch irgendeinen Sinn hat.

Wenn diese Frage nicht in der Aufbruchsstimmung beantwortet wird, kann es zu spät sein. Was sich als neue Kulturpolitik so hoffnungsvoll anließ, wird zur neuen Kitschpolitik.

Das ist nicht Geschmackssache. Das ist, auch wenn das zu streng für einen Aktiv-Urlaub klingt, eben doch wieder einmal Weltanschauung.

Als politische Kolumne soll dieser Beitrag durch Provokation zum Denken anregen. Die einzelnen Formulierungen des Autors müssen sich nicht mit den Auffassungen der Redaktion decken.

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