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Ein Film und ein Un-Film
In Kürze feiert die Gesellschaft der Filmfreunde Österreichs ihr dreißigjähriges Bestehen, was auch in der Programmierung des ersten Halbjahres 1976 seinen Niederschlag finden wird. Als Vorschau sozusagen, als „Vorfeier“, bietet sie allen Filminteressierten aber schon am Samstag, dem 29. November, um 18.30 Uhr im Mittleren Saal der Wiener Urania ein Ereignis, auf das hier aufmerksam gemacht werden soll: Luis Tren-kers 1937 in Italien gedrehter Großfilm „Condottieri“, bei der Filmkunstausstellung dieses Jahres preisgekrönt, wird in erster (und einziger) Vorführung seit über 30 Jahren gezeigt. Der Film handelt von dem Versuch der Einigung Italiens unter dem Herzog Giovanni de' Medici und ist optisch unter die zehn schönst-photographierten Filme zu zählen. Wenn sich auch über Darstellung und Thema diskutieren läßt, die bildhafte Schönheit der Aufnahmen aus den Dolomiten, von oberitalienischen Städten und der Milieuszenen aus der Renaissance ist, wie die eindrucksvollen Massenszenen und blendend inszenierten Schlachtenpanoramen, faszinierend und einzigartig. Wer sich für Film und Filmgeschichte interessiert, dürfte „Condottieri“ nicht versäumen.
Doch auch das Wochenprogramm der Kinos bietet zumindest eine interessante „Horror-Rock-Musical-Comedy“, wie der Regisseur Brian de Palma seine parodistisch-phantasti-sche Satire „Phantom^ im Paradies“ gegen die Auswüchse des mit der Jugend gemachten Rock-Musik-Geschäfts nennt. Diese laute, grelle, bösartige, originelle Pop-Travestie des Grauens vermischt berühmte, ehrwürdige Gestalten aus Literatur und Film, vom „Phantom der Oper“ über „,Faust“ bis zu „Dorian Gray“ und „Frankenstein“, um eine blutige Karikatur von größenwahnsinnigem Managertum, Starmanierismus und Fan-Exaltion zu zeichnen, die weniger filmgenialisch als Russells „Tommy“, aber sicher ehrlicher und tiefgehender ist. Die amerikanische Pop-Attacke erzählt von einem genialen jungen Komponisten, der — von einem Super-Rock-Manager betrogen und gräßlich verunstaltet —, maskiert wie ein Phantom, in dessen Rockpalast haust, um sich fürchterlich an ihm zu rächen ... Es ist übrigens erstaunlich, festzustellen, wie gut sich Rockmusik, Pop- und Horroreffekte miteinander vertragen! Allerdings: wohl nur ein Film für ein junges, oder ein filmisch geschultes Publikum! Die große Enttäuschung dieser Woche ist dafür die Verfilmung (aus Anlaß des 100jährigen Geburtstages Thomas Manns) von „Lotte in Weimar“ durch Egon Günther bei der DEFA, was allerdings aus geschäftlichen Vorsichtsgründen der hiesige Verleih dezent verschweigt; die trok-kene, sich exakt an die literarische Vorlage haltende Mann-Bebilderung erreicht spätestens nach der ersten halben Stunde tödliche Langeweile, da der beim Autor vorhandene, so oft durchschimmernde Witz und Geist durch ostdeutschen Charme und preußisch-sächsische Gründlichkeit getötet wird. Abgesehen davon, war Lillt Palmer (im Aussehen genau das Gegenteil der von Mann geschilderten Gestalt), sich dem übrigen Ensemble anpassend, selten so manieriert und outrierend wie hier, und erst das letzte Viertel (wenn der entmythisierte Olympier auftritt) zeigt, wie der Film häte sein können — aber bis dahin werden wohl nur sehr wenige den unerfreulichen Besuch der alten Dame absitzen ...
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