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Eine Statistik überforderter Ehen

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Eine geglückte Ehe, ein harmonisches Familienleben mit Kindern, Liebe und Treue - keine Studie unter jungen Menschen, die nicht diesen Wünschen an das Leben Priorität einräumt. Keine Spur von Sittenverwilderung und Demoralisierung.

Und im Kontrast dazu die Scheidungsstatistik: Im Vorjahr wurden - ein neuer „Rekord” - 16.282 Ehen geschieden, im Schnitt nach einem Jahrzehnt Ehedauer, 13.468 minderjährige Kinder wurden zu Scheidungswaisen, davon 5.135 noch keine sechs Jahre alt. 37 Prozent der geschiedenen Ehen waren wenigstens kinderlos. Und viele sind auch bei ihrem nächsten Anlauf zum Lebensglück gescheitert: Bei jeder vierten Scheidung handelte es sich entweder beim Mann oder bei der Frau um die zweite oder eine weitere Ehe. Und über die „Ehen ohne Trauschein” -82.000 laut Familienbericht 1990 -, die in Brüche gehen, gibt keine Statistik Auskunft.

Mit 2,1 Scheidungen auf 1.000 Einwohner liegt Österreich heute etwa gleichauf mit der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich aber noch immer hinter den Nachbarn CSFR (2,4) und Ungarn (2,75), von Großbritannien (2,95) und den USA (4,8) gar nicht zu reden.

Sicher ist: Zerrüttete Ehen sind kein Spezifikum unserer Tage. Aber manche Rahmenbedingung, nicht zuletzt der sozial-ökonomische Druck, der gescheiterte Beziehungen in der Vergangenheit noch zusammengehalten hat, hat sich geändert. Fraglos spiegelt die Statistik auch einen Verlust an Bindungsfähigkeit wider, in nicht wenigen Fällen werden Beziehungen auch am zunehmenden Egoismus und Individualismus zerbrochen sein.

Die dürren Zahlen stehen für 46.032 Schicksale und dürfen deshalb nicht gleichgültig lassen. Wie kommt es, daß Lebenswünsche und Lebenswirklichkeit so oft auseinanderfallen?

Der Wiener Pastoraltheologe Paul Michael Zulehner begnügt sich nicht, das Problem auf fehlende Moral zu reduzieren, vielmehr sieht er als Ursache „eine massive Überforderung der Institution der Ehe, weil in sie sämtliche Sehnsüchte nach Stabilität und Verwurzelung hineingelegt werden”. Und diesen überzogenen Erwartungen kann dann die Realität nicht standhalten. Der Desillusionierung folgt die Scheidung.

Das heißt aber, daß vielen Menschen eigentlich gar keine Vorstellung vermittelt werden konnte, was eine Ehe bedeutet, auch bedeuten kann. Damit steht aber hinter dem persönlichen Scheitern ein gesellschaftliches Versagen. Und viele sind mitverantwortlich.

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