Donauinselfest_2014_Ö1_Kulturinsel - © Wikimedia / Manfred Werner/Tsui

Ach, Radio Ö1!

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Ö1 verpasst sich eine Programmreform. Die Zweifel über die Zukunft des Kultursenders bleiben.

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Ö1 verpasst sich eine Programmreform. Die Zweifel über die Zukunft des Kultursenders bleiben.

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„Doch ein Zweig des Baumes der Radiovision der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ist noch grün: das Programm Österreich Eins.“ So seufzte Hubert Gaisbauer, einer aus der Mannschaft, die in den 1960ern unter Gerd Bacher Ö1 „erfand“, vor etwa eineinhalb Jahren in einer FURCHE-Elegie auf die Radiokultur.

Gaisbauers Wort in Gottes Ohr. Aber ob es auch erhört wird? Daran kommen einem Ö1-Hörer Zweifel. Und zwar nicht bloß angesichts der Reform, die sich der heimische Kultursender Nummer eins ab 5. Fe­bruar verpasst. Man wird diesbezüglich einmal hin- und hineinhören müssen und will sich nicht von vornherein nötiger Innovation verschließen.

Ob jedoch eine zehnstündige (!) Tagesmoderation mittels einer einzigen Radiostimme, mit der das p. t. Publikum nun beglückt werden wird, der Weisheit letzter Schluss ist? Oder auch, dass man zwei unterschiedliche Religionssendungen wie Praxis und Logos bzw. Tao in eine Sendleiste Im Fokus – Religion und Ethik am Mittwoch zusammenzieht, ist kein Zeichen für mehr (Programm-)Vielfalt.

Das neue Programmschema von Ö1, dem man seine Chance einräumen will, gibt aber bestenfalls Auskunft darüber, welchen Stellenwert Österreichs größte Medienanstalt der Radiokultur zu geben gewillt ist. Ö1 war und ist nicht bloß ein ORF-Programm unter vielen. Sondern es hat sich als europaweit einzigartiges Kulturmedium etabliert, das auch in seinen Reichweiten die Performance vergleichbarer Sender in Europa in den Schatten stellt. Und, ja, es ist nicht nur öffentlich-rechtlicher Rundfunk pur, sondern ein kulturelles Aushängeschild des Landes.

Doch das Schild ist längst verbeult – und dies geschah schon lang vor der aktuellen Programmreform. Dieser Tage wurde ein offener Brief Alfred Treibers und Peter Kleins, Ö1-Chefs 1995–2010 bzw. 2014–19, der auch von Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen und Autoren mitunterzeichnet wurde, an die ORF-Oberen veröffentlicht. Die Briefschreiber weisen darauf hin, dass mit der „Inhalierung“ der Ö1-Redaktionen in multimediale Cluster auf dem Künigl­berg das Profil, aber auch die kulturelle Bedeutung von Ö1 auf dem Spiel stehen: „Auf keinen Fall ... darf Ö1, wie beabsichtigt, filetiert und als organisatorische Einheit aufgelöst werden.“

Man schließt sich der Sorge der Briefschreiber an: Ö1, wie es gerade noch existiert, ist etwas anderes als bloß eine Ausspielplattform für medialen Content, wie es auf Neudeutsch heißt. Klar, dass sich Radiokultur auch gegen das Audio-Fastfood der Podcasts, die wie Pilze aus dem Boden schießen, behaupten muss. Aber wer, wenn nicht der ORF sollte hierzulande die finanzielle Ausstattung besitzen, um eine kulturelle Großtat wie Ö1 am Leben zu erhalten – und zwar wirklich?

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