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Nachbarn

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Man wollte sie bisher nicht ganz für möglich halten, obwohl man sie ja ahnte, bis Teddy Podgor- skis „Panorama“ sie zutage brachte: jene neid- und gift- geschwollene Gehässigkeit, die von einigen Bevölkerungsschichten in diesem Lande vereinsamten, wehrlosen Gastarbeitern entgegengebracht wird. Unwesentlich war zwar der Nonsens, den die von „Panorama“ Interviewten (selbstbewußte Furien und wohlgenährte Tachinierer) zum Thema äußerten — wesentlich war lediglich die Scham, die man nach dieser Sendung als Österreicher Völkern gegenüber empfinden mußte, mit denen man einst im großen Vaterhaus gelebt hat und die heute über ihnen zugedachte Schimpfworte, wie „Tschusch“, „Kamöhtreiba“, mit der noblen Gelassenheit hinwegsehen, die armen, aber nicht ver- pöbelten, weil noch archaischen Stämmen eigen ist. Absurd wird die Tragikomödie vor allem daun, wenn bodenständige Sorge um die Reinerhaltung einer sagenhaften Rasse aufklingt — und zwar in dieser Stadt Wien, deren Einwohnerschaft laut Namensregister zu 80 Prozent nicht aus

Donau-Alpen-Gauen, sondern aus Böhmen, Galizien, Ungarn, Siebenbürgen, Norditalien, Slowenien und Kroatien stammt. Bisher wußten wirtschaftlich dominierende Nationen den Wert der von ihnen importierten und benützten Sklaven, Leibeigenen und sonstigen Robotpflichtigen sehr wohl zu schätzen, manchmal mit Gold aufzuwiegen; Österreichern blieb der Schwachsinn Vorbehalten, ihre Heloten zum Dank für die Verrichtung untergeordneter, von Bodenständigen verachteter Dienstleistungen auch noch zu beschimpfen und die Fremden zwecks Lahmlegung der eigenen Wirtschaft sogar zum Kuckuck zu wünschen. — Auch in diesem Falle: bravo Podgorski-Pissecker, wie schon so oft und wie immer, und deshalb hoffentlich: auf bald!

Bravo Vorabendprogramm für die Absicht, noch ein paar weitere Filme mit Stan Laurel und Oliver Hardy zu neuem Leben zu erwecken. Stan und Oliver, seit den Tagen deutscher Vorherrschaft leider nur noch unter den albernen Namen „Dick und Doof“ bekannt, waren, wie wir heute wis- sen, keine bloßen Flapstick- Spaßmacher, sondern hervorragende Schauspieler. Bei ihren tragischen Kämpfen mit den Tücken der Mechanik mimten sie die beiden Grundtypen mensch lichen Verhaltens in der Niederlage: würdevoll empört der eine, schamerfüllt und den Tränen nahe der andere.

Finden Sie hingegen, daß Schloß Neulengbach sich richtig verhält? Seit die neue Abenteuerserie aus Kaiser Franzens Tagen, „O mar Pascha“ betitelt, angelaufen ist, liegt es in Bosnien, umgeben teils von durchaus unbosnischen und sehr typisch niederösterrei chischen oder burgenländischen Gehöften, teils von der durchaus unbosnischen, saftig sprießenden Vegetation des nördlichen Alpenvorlandes. Es wird gestritten und geritten, und daß Bosnien im Vormärz noch lange nicht bei Österreich war, tut nichts zur Sache, denn der Hintergrund der Ereignisse ist nach dem betvähr- ten, offiziell erwünschten Schema gestellt: Grafen sind dumm und überheblich, die südslawischen Nachbarn sind wild und Österreich war ein Völkerkerker; man muß es nur oft genug wiederholen.

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