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Romanik am Wiesenhang

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Die Nähe der riesigen Almen, die sich rund um den Wintersportort Lech am Arlberg ausdehnen, die einzigartige Lage des Ortes, brachten den Wiener Restaurator Josef Fastl darauf, hier Spuren von Besiedlung aus frühester Zeit zu suchen. Der Name Lech scheint zum ersten Mal im Jahre 642 n. Chr. als Flußbezeichnung „Licca" in einer Urkunde auf. Aus dem Fund einer mittelbronzezeitli-chen Lappenaxt geht die frühe Besiedlung der Gegend hervor, vielleicht war es nur Durchzugsgebiet.

Josef Fastl, Freskomaler und Restaurator, der unter anderem am Wiener Stephansdom, in Schönbrunn, im oberen Belvede-re, aber auch in Maria Einsiedeln in der Schweiz Fresken rekonstruierte, kam im Auftrag der Pfarre und des Bundesdenkmal-amtes nach Lech, um die gotische St. Nikolaus-Kirche aus dem Jahr 1390 auf Fresken zu untersuchen. Uber das Ergebnis dieser Voruntersuchung, wie er sie nennt, sagt Fastl:

„Als ich durch Mörtelschichten zu den untersten Farbschichten vorgedrungen war, mußte ich feststellen, daß ich mit Farbresten zu tun hatte, die viel älter sind als aus dem Jahr 1400. Kalkmörtel hat innerhalb von 28 Tagen abgebunden. Darüber hinaus gibt es aber noch einen Abbindeprozeß, der 500 Jahre dauert. Ist um diese Zeit der Kalkmörtel noch am Leben, ist er von Umwelteinwirkungen noch nicht zerstört, so beginnt von da ab die Versteinerung des Mörtels. Diese unteren Kalkmörtel- und Farbschichten sind bereits versteinert und weisen zum Teil eine härtere, festere Bindung auf als sie Kalkstein aufweisen kann."

Zu dieser — vorläufig rein optischen — Zeitschätzung kommen auch ganz konkrete Beweise.

„Fast täglich", so Fastl, „kam ein neues Beweismittel dazu: ein Fenster — wie in der romanischen Zeit üblich war — mit charakteristischen Rundbogen als Abschluß nach oben, oder zwei gut erkennbare Mörtelschichten, jedoch keine behauenen Steinteüe. Die Kalkarmut, die im Mörtel zu sehen ist, und das Fehlen der behauenen Steinteile lassen auf eine ärmere Zeit schließen. Jedoch ist diese Schichte nicht die älteste. Das Fenster steht etwas verschoben in einem noch älteren Fenster drinnen —damit sind wir bei der ersten Bauepoche angelangt."

Bei der weiteren im Einvernehmen mit dem Bundesdenkmalamt und der Diözese Feldkirch durchgeführten Suche fand Fastl das gotische Fenster, das 1791 bei der Barockisierung umgebaut wurde. Die beiden frühen Fenster sind nur in der Kirche nachzuweisen, nicht im Presbyterium. Erst die Vergleichsproben zwischen dem Kirchenschiffmörtel und dem Presbyteriummörtel haben das vorausgeahnte Ergebnis gebracht. Fastl meint:

„Dort, wo der frühe Mörtel aufhört und der Mörtel für das Presbyterium beginnt, habe ich die romanische Kirche zu suchen begonnen. Und genau dort, weit unter dem Kirchenboden, habe ich die romanischen Grundmauern für das romanische Presbyterium gefunden. Die rechte Seite ist gut erhalten, aber auch an der linken sind Reste der romanischen Fundamente zu erkennen. Jetzt ist es möglich nachzumessen. Die romanische Kirche, die gotische und die barockisierte Kirche sind Realität geworden. Nach meinen Vermutungen ist diese Kirche eine Ruine gewesen. Mit Glück und Zufall werden wir bestimmt noch andere Beweiselemente in die Hand bekommen."

Diese noch am Anfang stehende Suche verweist auf die Wurzeln in der Vergangenheit, den Urgrund jeglicher Geschichte.

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